Schaffen im Prozess

Mandy Göhler
Prozess: Die Leopoldshöher Künstlerin Mandy Göhler arbeitet in ihrer Ausstellung „es ist so“ in der Alten Lederfabrik Halle an kleinen Werken. Foto: Thomas Dohna

Die Fotografin und Künstlerin Mandy Göhler sucht in ihren Arbeiten das Leben und das, was die Welt zusammenhält.

Das Erste, das an Mandy Göhler auffällt, ist ihr Lachen. Auf den zweiten Blick erkennt man ihre Zuwendung zu Menschen. Wenn man die Fotografin länger beobachtet oder mit ihr zusammenarbeitet, fällt auf, dass sie immer dabei, immer aufmerksam ist. Immer wieder klickt ihre Kamera. So arbeitet die Leopoldshöherin auch als Künstlerin.

Mandy, ein Fernwehvorname, den ihre Eltern ihr 1977 gaben. Damals gehörte ihre Geburtsstadt Freiberg im heutigen Sachsen noch zum zweiten deutschen Staat, der DDR. Als dieser Staat 1989 zusammenbrach und 1990 in der Bundesrepublik Deutschland aufging, fand sie sich mit Millionen anderen in einem neuen, noch unbekannten System wieder. Göhler, die immer schon Kunst studieren wollte, lernte zunächst Gestaltungsstechnische Assistentin in Halle/Saale. Ihr Design-Studium führte sie erst nach Dessau, dann nach Bielefeld zu Gottfried Jäger, nach Hamburg zu Magret Olschewski und wieder nach Bielefeld zurück.

Schon als Jugendliche, so berichtet sie und zitiert dabei aus Goethes Faust, interessierte Göhler die Frage, was die Welt im Innersten zusammenhält. Kunst habe viel mit Forschen zu tun, sagt sie, in und mit dem Material. Kunst geschehe aus dem schöpferischen Tun heraus, in den Ausdruck hinein. Zwischen dem Material und dem Menschen, der das Schöpferische leistet, gebe es eine Verbindung. Der große Anteil des Forschens an dem Schöpferischen sei vielleicht, was Kunst von Kunsthandwerk unterscheide, meint Göhler.

Handwerkliche Fotografie für Medien, Werbung, Dokumentation bringt Göhler und ihrer Familie das Brot. Viele Jahre stellte sie dafür ihre Kunst zurück. Noch als Studentin in Bielefeld hatten Göhler einen nennenswerten künstlerischen Erfolg. 2003 eröffnete das Museum MARTa in Herford unter seinem international tätigen Ausstellungsmacher Jan Hoet eine kleine Dependance in der Fußgängerzone Herfords. In dem kleinen Eckladen, fortan Kapelle genannt, sollten herausragende Nachwuchskünstler aus der Region eine Ausstellungsmöglichkeit bekommen. Mandy Göhler schuf 2004 eine Installation aus Pappkartons, die in der Bielefelder Fachhochschule für Design zu sehen war. Regelmäßig schauten Jan Hoet und seine Kuratorin Veronique Souben dort vorbei. Sie sahen die Installation und buchten sie für die MARTa Kapelle.

Den Abschluss in der Tasche, ging Göhler 2009 mit ihrem Mann nach Berlin. Mit den Ostwestfalen war sie bis dahin nicht warm geworden. Wer in der DDR sozialisiert worden sei, kenne ein ganz anderes Gemeinschaftsgefühl. In Ostwestfalen sei alles immer auf eine Armlänge Abstand gewesen.

Künstlerisches Arbeiten in Prozessen

„In Berlin hat beruflich keiner auf uns gewartet“, stellt Göhler fest. Geld verdienen stand im Vordergrund. Sie und ihr Mann bauten die kleine, inzwischen namhafte Designagentur „von Design“ auf. Zur Kunst kam Göhler kaum noch. 2013, nach der Geburt der Tochter und einem anstehenden Wohnungswechsel, der wegen des damals schon in Berlin sich ankündigenden Wohnungsmangels nicht zustande kam, besannen sich Göhler und ihr Mann auf Bielefeld. Leopoldshöhe kam in den Blick, weil hier die gesamte Infrastruktur für sie und ihre Tochter einfach gut sei, sagt Göhler.

„Ich hatte zwei Herzen, die Kunst und der Job“, sagt die 42-Jährige. Wenn eines dauerhaft weggesperrt werde, werde man krank. Sie begann eine lebensbegleitende Ausbildung. Sie wiederentdeckte, dass sie künstlerisch in Prozessen arbeitet. Heute sei es ein Herz und wenn sie jemand frage “wer bist du oder was machst du?”, sagt sie: „Vieles”.

Beginnt Göhler eine Arbeit, begibt sie sich in ein Niemandsland, wie sie es beschreibt. Intuition und das wiedergewonnene Vertrauen, dass etwas entstehen wird, ist für Göhler die Orientierung. Wie das aussieht, kann man noch bis zum 29. September in der Alten Lederfabrik in Halle/Westfalen zu sehen. Die kleinen, dort während der Ausstellung entstehenden Arbeiten seien Zwiegespräche und erzählten vom Prozesshaften mehr als die Arbeiten in der Ausstellung selbst, sagt sie. Auf die Frage, wohin es in Zukunft gehen wird, lacht Mandy Göhler ihr Lachen. Sie wünsche sich, dass sie dranbleibe am künstlerischen Ausdruck. Sie wolle mit der zentralen Frage „Was ist Leben?“ ein Feld für sich und die Menschen aufmachen. Schon dieser Frage zu begegnen, sei eine Sache, „bei der man am Leben dran ist“, sagt sie.

Thomas Dohna

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