Sag es in siebzehn Silben

Gereon Inger, renommierter Joyce-Experte und engagierter Mitstreiter beim Bielefelder Bloomsday, hat den Ulysses in einzigartiger Weise illustriert und betreibt auch einen Postkartenvertrieb mit einzelnen Motiven (www.inger.de). Foto: Antje Doßmann

Zu den etlichen Veranstaltungen, die in diesem Frühjahr ausfallen müssen, gehören auch die liebevoll durchdachten kulturellen Kleinereignisse im Vorfeld des 2. Bielefelder Bloomsday am 16. Juni.

Zumindest die für März und April geplanten Termine, die in diesem Jahr schrittweise auf den Tag, an dem James Joyce’ Kultroman “Ulysses” spielt, zuführen sollten, fallen der Corona-Krise zum Opfer. Katrin Nowak und Gunther Möllmann, die den weltweit zelebrierten Bloomsday im letzten Jahr nach Bielefeld holten, haben aber dennoch eine Idee, wie sie die Region auch in Zeiten des eingeschränkten Kulturerlebens für den Roman begeistern können. Indem sie dazu aufrufen, ein Ulysses-Haiku zu verfassen.

1008 Buchseiten in 17 Silben zu erfassen – auf solch eine exzentrische Idee konnte nur das Joyce-Center in Dublin verfallen, das den Wettbewerb ausgerufen hat. Aufgefordert werden ausdrücklich alle, die Lust haben, sich einmal an dieser aus Japan stammenden Gedichtform zu versuchen, die als kürzeste der Welt gilt. Nicht mehr zwingend sind dabei die mit der japanischen Sprache zusammenhängenden ursprünglichen 17 Lauteinheiten (Moren). Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts definierten sie den Dreizeiler im strengen Silbenschema 5-7-5 . Dennoch kann dieses als formgebendes Raster und  Gedankenordnungsstruktur auch heute noch reizvoll sein.

Mit dem Haiku gegen den Corona-Blues

Inspiration beim Schreiben bietet natürlich der oft ungelesen im Regal herumstehende Wälzer selbst, der dadurch zumindest zum Durchblättern und Festlesen an einzelnen Passagen einlädt. Empfehlenswert und eine zeitlose Klasse für sich ist das freigeistige, das Frauenrecht auf selbstbestimmte Sexualität gelassen unterstreichende Schlusskapitel des Romans. Alle, die beim letztjährigen Bielefelder Bloomsday dabei waren, werden sich daran erinnern, wie originell, humorvoll und sinnlich zugleich das Duo Nowak und Möllmann in der alten Telekomkantine im Kesselbrink-Hochhaus Molly Blooms berühmten Monolog in Szene gesetzt hatte.

Molly liebt auch ihn

am Ende dieses Tages

weiß Leopold das(s)

könnte man also ad hoc und mit ein wenig Joyce’schem Hintersinn dichten. Wir wünschen jedenfalls viel Spaß mit dieser Einübung in Minimalismus und senden im Folgenden dieses Schreiben von Katrin Nowak und Gunther Möllmann gerne weiter:

Liebe Bloomsday-Freund*innen!

Ulysses Haiku Projekt

Wir wollen in Zeiten der berechtigten und wichtigen Distanz einen Brückenschlag wagen. Unsere geplanten Bloomsday-Veranstaltungen im März und April können nicht wie geplant stattfinden, wir wollen unseren Beitrag zum Schutz aller leisten.

Ein Hoch auf die Solidarität!

Also wandeln wir einen Workshop um in eine online-Aktion.

Das James Joyce Centre in Dublin hat international zu einem Ulysses Haiku Project aufgerufen. Dieses Projekt bittet alle Interessierten, ihre Erfahrungen mit James Joyces Ulysses oder dem Bloomsday durch Haikus zum Ausdruck zu bringen.

Wir, als Bielefelder Bloomsday, wollen uns daran beteiligen und rufen deshalb OWL-weit dazu auf, uns Haikus mit Bloomsday 2019- oder Ulyssesgehalt zu schicken. Ausdrücklich wollen wir alle Bloomsday- und James-Joyce-Interessenten aufrufen, und auch ihre Freundeskreise ermutigen. Vielleicht können auch Lehrer ihre Schüler motivieren sich zu beteiligen.

Die Haikus werden dann anschließend Ende April von uns zum James Joyce Centre in Dublin/Irland geschickt.

Ein Haiku ist ein Gedicht in drei Zeilen und damit das kürzeste Gedicht der Welt. Beschreiben Sie mit ca. 17 Silben ein Ereignis, eine Idee oder Wortspiel aus der Themenwelt des Bloomsday/ des Ulysses. Nutzen Sie dafür das Präsens und eine einfache, konkrete Sprache. Überschriften oder Endreime gibt es nicht. Zwei sehr einfache Beispiele:

Ulysses

was macht dein Text

mit meinem Bauch

*

Bloomen

Leopold sucht und findet

nicht, was er sucht.

*

Wenn Sie ein Haiku einreichen möchten, in Deutsch oder Englisch, senden Sie es bitte per E-Mail an

haiku@bloomsday-bielefeld.de

Wir sind sehr gespannt auf Ihre Kreativität und werden auf unserer Homepage auch einige Haikus veröffentlichen.

Bleiben Sie gesund und frohen Mutes!

Herzliche Grüße,

Katrin Nowak und Gunther Möllmann

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ANGELA CALOW

Bloomsday Bielefeld – Organisationsteam

angela@bloomsday-bielefeld.de

0177 542 1 541

Antje Doßmann

Autor*in: Antje Doßmann

Die Antje...kann über gelungene Kunst-Taten ins Schwärmen geraten, und dann rette sich von ihr aus wer will. Den anderen wünscht sie beim Lesen ein heißes Herz und einen kühlen Kopf.