Lockdown „Light“

Angelika Höger bringt auf der Wiese zum Leuchten, was man mit etwas Glück tags noch in Echt sieht. Allerdings nicht aus Küchengeschirr. Foto: Werner Bolz

Das Minimum an Kultur, das man sich in den kommenden Wochen leibhaftig zuführen kann, beinhaltet die Kunst im öffentlichen Raum. Am vergangenen Wochenende ergriff eine ansehnliche Schar Interessierter die Gelegenheit, es bei einer temporären Ausstellung von Kunstwerken auszuprobieren.
In der dunklen Jahreszeit finden solche Spaziergänge gern in den Abendstunden statt, die vergangene Lippstädter „Light Art“ hat über die Innenstadt verteilt entlang der Lippe ein fest installiertes Pendant in der „Lichtpromenade“. Daneben ist die Projektionsausstellung im Bad Rothenfelder Kurpark zur liebgewonnenen Tradition geworden.

Ein wenig genutzter städtischer Ruheort

Kulisse der auf drei Abende beschränkten Aktion mit Exponaten von sechs regionalen Künstler*innen war der Park an der Stiftsruine Lippstadt. Gelegen in einem Wohnviertel zieht der Bereich mit der abgesperrten Ruine der kleinen Marienkirche hauptsächlich Tagestouristen an.

Leuchtende Farben schwingen im Wind: Mobile von Christiane Kling. (Fotos: Rainer Schmidt)

Näherte man sich dem Park aus der Innenstadt kommend und nutzte eine seit einigen Jahren meistens verschlossene Pforte, konnte man schon den Blick schweifen lassen über fast alle der von Dunkelheit umfangenen, beleuchteten Installationen. Darunter, oder besser gesagt darüber: eine Installation von Herbert Pörtner, eines Bielefelder Spezialisten für Lichtkunst und kinetische Objekte. Transparente Schwingen vogelähnlicher Objekte in einer Baumkrone leuchten violett und geben Töne von sich – beides auf Signale eines Bewegungsmelders.

Ein vielleicht beabsichtigter Überraschungseffekt ist an dieser stark frequentierten Stelle mit dem hier auch als Hygienefachkraft postierten Ausstellungswärter nicht gegeben.

Ein weiteres, scheinbar schwebendes Leuchtmobile von Christiane Kling zieht Blicke auf sich, dynamisch bewegt vom wechselnden Wind.

Vor den Elementen geschützt dreht sich das Hängegebilde aus Pflanzen- und Papierfasern der Soester Künstlerin Bettina Briesenick-Becker in einem „Schneewittchensarg“aus geriffeltem Glas. Ihre Objekte hängen sonst in Räumen, bewegt vom Luftzug. Dieses wird sie demnächst auch noch im Lippstädter Kunstverein ausstellen.

Die Kulturstätten-Abrissbirne kommt

Katinka Winz, einzige Lippstädterin der Auswahl, pflegt seit längerem einen diskursiven, gesellschaftskritischen Kunstbegriff. Ihre Installation stellt über eine rot angestrahlte gespenstische Abraumhalde eine symbolische Verbindung zwischen Stiftsruine und einem auf der gegenüberliegenden Straßenseite zum Abbruch vorbereiteten Haus, welches ebenfalls rot strahlt und Erinnerungen weckt an die bundesweite Mahnaktion für das Überleben der Veranstaltungsbranche im Frühsommer und ihre bedrückende Aktualität.

Baumskulpturen-Lichtmalerei mit weitem Interpretationsspielraum

Zusammen mit Dirk Raulf, dem aus Lippstadt stammenden und eher als Kölner Avantgardemusiker bekannten Kurator der Lichtausstellungen hat Horst Rottjakob-Stöwer für seinen Aufbau aus abgestorbenen Teilen der Kopfweiden in seinem Delbrücker Garten einen Platz zwischen zwei Birkenstämmen ausgesucht. Sie reflektieren milde die aus Fluoreszenz dreier Farben im Schwarzlicht resultierende Lichtmalerei eines Künstlers, der hauptsächlich fotografisch arbeitet und als Kunsterzieher öfters Schulklassen für Zeichenübungen in diesen Park führte.

Horst Rottjakob-Stöwer mit seiner flureszierenden Installation, der eine Fotografie kaum gerecht werden kann

Einen kleinen, mittlerweile ausgetrockneten Teich und die Vegetation drumherum ergänzt Angelika Höger mit nachtleuchtenden künstlichen Pflanzen, die bei näherem Hinsehen wie so oft bei den Installationen der Bielefelderin als kunstvolle Arrangements von Alltagsgegenständen erkennbar werden. Die bei Artists Unlimited beheimatete Künstlerin ist Mitglied einer audiovisuell arbeitenden Gruppe namens „Geplante Obsoleszenz“. Diese hat (Sondersituation!) gerade eine begehbare Ausstellung, eine raumbezogene Klanginstallation in der Martinskirche Osnabrück. Wer sie sehen und hören möchte muss sich etwas beeilen, bis 8. November ist sie aufgebaut. Wozu hier selbstverständlich nicht expliziert aufgefordert werden soll, alldieweil eine abschließende Recherche gerade ergab, dass auch die Bad Rothenfelder „Lichtsicht projektions-triennale“ vom Bürgermeister für die Zeit des Lockdowns unterbrochen wurde. Aber immerhin bis Ende März verlängert. Falls man unbedingt nach einer positiven Nachricht zum Ausklang sucht, hier isse.

Rainer Schmidt

Autor*in: Rainer Schmidt

"Wenn man sich schon Illusionen macht, dann aber auch richtig. Es muss stimmen, wenns auch nur von kurzer Dauer ist." – Django