Ein „Blinder Fleck“ öffnet poetische Zwischenräume

"Blinder Fleck" heißt die Ausstellung Gosia Machons in der Detmolder Galerie Mellies. Ihre abstrahierten und doch klaren Landschaftsbilder öffnen weite Räume der Vorstellung. Foto: Ralf Bittner

„Blinder Fleck“ heißt die neue Ausstellung der Hamburger Künstlerin Gosia Machon, die bis Ende Mai in der Detmolder Galerie Mellies gezeigt wird. Zu sehen sind farbige Tusche-, Acryl- und Ölarbeiten voller Poesie.

Ein „Blinder Fleck“ bezeichnet etwas, das zwar vorhanden, aber gleichzeitig der Wahrnehmung entzogen ist, so erklärt die in Polen geborene und seit gut 20 Jahren in Hamburg lebende Malerin Gosia Machon den Titel ihrer Ausstellung in der Detmolder Galerie Mellies. Obwohl in unterschiedlichen Techniken ausgeführt, verbindet die 38 gezeigten Arbeiten eine reduzierte Gegenständlichkeit, die dem Betrachter weite Deutungs- und Erfahrungsmöglichkeiten lässt.

Plakativ, ohne laut zu sein

Die Bilder sind plakativ, ohne laut zu sein, sprechen an, ohne eindeutig sein und stehen damit in der Tradition der „polnischen Schule der Plakatkunst“ mit ihren knappen Ausdrucksmitteln und großen Assoziationsräumen. Noch 2007 gewann Machon einen renommierten Plakatwettbewerb, widmete sich dann aber der Malerei. Die Bilder berühren und entziehen sich einer eindeutigen Interpretation, wenngleich die aus der Volkskunst, dem südamerikanischen magischen Realismus oder der neueren afro-amerikanischen Malerei entlehnten Motive universell verständlich scheinen. Machons Bilder lassen sich wegen ihrer Offenheit vielleicht als poetisch bezeichnen.


Bilder wie das großformatige „Wiese“ in klaren, kräftigen Ölfarben laden dazu ein, sich in die Landschaft hineinzuträumen. Weniger klar und in weniger reinen Farben kommen die Tuscharbeiten der Serie „LIEB LEIB LEID LIED“ daher. Gut 300 Arbeiten umfasse diese Serie bisher, sagt Machon. Wie bei einem Tagebuch stehen hier geheimnisvolle, manchmal düstere Bilder neben anderen, die schmunzeln lassen, ohne dass sich sicher sagen ließe, warum. Der „Schlaf“ scheint jedenfalls bei aller Tiefschwärze ein eher entspannter Geselle, und auch aus dem Spiegel erstrahlt ein Lächeln. Da hatte die Malerin wohl einen guten Tag. Nur selten knallen dem Betrachter ein klares Blau oder ein tiefes Schwarz entgegen. Hier dominieren Mischtöne. Oft erdig-warm, manchmal auch ins Blau oder Grün abgleitend. Die Tagebuchbilder laden zum Herantreten ein, wirken aber auch in der mal flächigen, mal linearen Präsentation jeweils ganz eigen.

“Blinder Fleck” heißt die Ausstellung Gosia Machons in der Detmolder Galerie Mellies. Die Bilder der Serie LIEB LEIB LEID LIED sind eine Art Tagebuch in Tusche auf Papier. Foto: Ralf Bittner

Flächige, farbkräftige Landschaften lassen Raum für Fantasiereisen

Gegenüber von „LIEB LEIB LEID LIED“ sind einige Öl- und Acrylbilder zu sehen. Die ziehen in ihrer kräftigen Farbigkeit die Blicke sofort auf sich. Obwohl Bilder wie „Wiese“ oder „Im Weg“ sich in die Landschaft und damit die Tiefe öffnen, wirken sie doch seltsam zweidimensional. Die Gestalt, die „Im Weg“ erscheint, wirkt wie plattgewalzt. Hier schafft die Reduktion der Tiefenwirkung genau den Raum, den die Betrachter mit Erinnerungen, Erfahrungen oder Verdrängtem auffüllen können. „Trotz des reduzierten Mitteleinsatzes, sieht so jeder sein eigenes Bild an der Wand“, sagt Machon.

Erstmals seit Eröffnung der Galerie wird auch ein zweiter Raum für die Präsentation genutzt, in dem Machon Arbeiten aus ihrer Werkgruppe „Verblum“ zeigt. Hier finden verschiedene Formate von 30×40 Zentimetern bis 97×120 Zentimeter, die schon bekannten Techniken Öl, Acryl und Tusche, in die teils mit Kohle oder Bleistift hineingearbeitet wird, zusammen. Wie es der Titel andeutet, geht es um Blumen, genauer um Blumen in Vasen. Was zunächst nach „dekorativer Malerei“ klingt, entfaltet aber schon beim Hinsehen einen geheimnisvoll-poetischen Sog. Auch hier schweben Spiegelbilder in Vasenwolken, liegen Gestalten, die an sich viel zu groß sind, schlaftrunken vor einer Vase mit mohnroten Blüten.

Erstmals wird auch der zweite Raum der Galerie Mellies für eine Ausstellung genutzt. Die Vasenbilder der Künstlerin nehmen Aspekte der anderen Reihen auf. Foto: Ralf Bittner

Erneut ist es Sabine Mellies mit der Ausstellung gelungen, eine international beachtete Künstlerin in die Provinz zu holen. Die zögerte keinen Augenblick mit der Zusage. Es sei zwar schade, dass wegen Corona keine Vernissage stattfinden könne, aber unabhängig von der gegenwärtigen Krise hänge die Wahrnehmung von Ausstellungen stark von den Aktivitäten der Galerien oder Institutionen ab, und da habe sie bei Sabine Mellies ein gutes Gefühl, so Machon.

Die Ausstellung ist bis zum 30. Mai in der Galerie Mellies, Waldheidestraße 24, 32758 Detmold, zu sehen. Besucht werden kann sie mit negativem Corona-Testergebnis sowie FFP2- oder medizinischer Maske derzeit von maximal zwei Personen gleichzeitig nach vorheriger Terminvereinbarung per E-Mail an hallo@galerie-mellies.de oder unter Tel. (01 57) 57 32 84 44. Infos auf www.galerie-mellies.de, auf www.gosiamachon.de gibt es Infos zur Künstlerin. Und zum Schluss ein kleiner Tipp für Besucher: längst nicht alle Bilder hängen an der Wand, bei Interesse an „Mehr“ einfach Sabine Mellies vor Ort ansprechen!

Autor*in: Ralf Bittner

Ralf steht lieber hinter als vor der Kamera, erkundet seine Welt gern zu Fuß und hat ein Herz für Großartiges in kleinen Locations.