OWLiterarisches

Machen die 26. Bielefelder Literaturtage möglich: Angelika Teller vom Team der Stadtbibliothek Bibliothek, Jutta Berges vom Förderverein, Klaus-Georg Loest (Initiator i.R. und aktiver Ideengeber) sowie Bibliotheksdirektorin Dr. Katja Bartlakowski (Foto: Antje Doßmann)

Die 26. Bielefelder Literaturtage stehen ins Haus. Sie werden vom 01.-29.10.2021 stattfinden und wie immer von der Kunst des Erzählens handeln, diesmal unter dem Motto “Vom Wunsch anzukommen”. Das Team und der Förderverein der Stadtbibliothek sowie die Literarische Gesellschaft OWL haben dazu eine Reihe hochgehandelter Autor*innen eingeladen, die auch in diesem Jahr für ein volles Haus sorgen werden. Zehn Veranstaltungen, an denen bis zu 300 Personen zuhörend und mitdiskutierend teilnehmen können, sind geplant; neun davon werden gestreamt, um niederschwellig möglichst viele Menschen zu erreichen.

Von Martin Mosebach bis Judith Hermann spannt sich der Bogen, und so angekommen im Sinne von arriviert sind sicherlich nicht alle Gäste, die auf der Lesebühne erwartet werden. Unbenommen ist aber, dass das Thema in seiner metaphysischen Dimension Schreibende zur Zeit zentral beschäftigt, was insbesondere Judith Hermann mit ihrem aktuellen Buch “Daheim” unterstreicht.

Ein Wiedersehen wird es auch mit Hans-Ulrich Treichel geben, wie Judith Hermann gern gesehener Gast bei den Literaturtagen. Und für unterhaltsame Momente mit Tiefgang könnte Lena Gorelik sorgen, Jahrgang 1981, in Sankt Petersburg geboren, für ihre frische Erzählweise bekannt.

Als europäischer Gast wird Marente de Moor erwartet, ebenfalls schriftstellerisch aktive Tochter der bekannten niederländischen Autorin Margriet de Moor. Neben der Belletristik ist bei den Literaturtagen traditionell auch die Sachbuch-Sparte vertreten, diesmal durch den Feuilletonchef der FAZ Andreas Platthaus, der sein Buch über den Maler Lyonel Feininger vorstellen wird.

Auch der literarische Diskurs kommt nicht zu kurz, bei dem es um Dante gehen wird, dessen 700. Todestag in diesem Jahr Anlass zu Würdigung, Gedenken und vor allem begeisterter Rezeption liefert. In Kooperation mit der Deutsch-Italienischen Gesellschaft wird es einen “Lesemarathon” und eine Einführung in dessen Meisterwerk “Divina Commedia” geben – unter der Moderation der Expertin Maddalena Agliati Werner sicherlich ein intellektuelles Freudenfest. Apropos Moderation: Neben den beiden federführenden Verantwortlichen Angelika Teller und Klaus-Georg Loest werden Maria Kublitz-Kramer von der Literarischen Gesellschaft OWL sowie Saskia Fischer und Udo Witthaus durch die Literaturabende führen..

Unter den Musiker*innen, die die Lesungen flankieren, Nils Rabente, Reinhold Westerheide und Djamilija Keberlinskaja. Meisterinnen und Meister ihres Fachs wie alle, die sich bei dem beliebten Veranstaltungsformat ein Stelldichein geben. Es ist mit Freude zu erwarten. Weitere Informationen und Programm auf der Homepage der Stadtbibliothek Bielefeld


Vom Zusammenleben mit uns selbst

Rezension zu Gudrun Wiebke und Erica Natale

Vom Wunsch anzukommen – anzukommen bei anderen, anzukommen bei sich selbst – handeln auch zwei Bücher, die von Autorinnen der Region jüngst veröffentlicht wurden. “Kommissar Traudich  & das Schweigen des Stoppelfeldes” von Gudrun Wiebke und das “Buch der Tagträume” von Erica Natale. Auf den ersten Blick zwei sehr unterschiedliche Publikationen. Schaut man jedoch genauer hin, gibt es Ähnlichkeiten zu entdecken, die vor allem etwas mit der psychischen Verfassung der beiden jeweiligen Protagonisten zu tun haben. mit ihrer Feinfühligkeit und gelegentlichen Ratlosigkeit angesichts einer kaltherzigen Welt, und genau hier zeigt sich auch die Parallele zum Leitmotiv der Literaturtage. Im Großen wie im Kleineren ringen Schreibende um Obdach, Behausung, einen Platz in der Welt. Es ist natürlich auch eine Frage unserer Zeit.

“Was sollte nur aus mir werden?” – eine Frage, die bei Natale einmal gestellt wird – könnte auch bei Gudrun Wiebke auftauchen. Denn der von ihr erdachte (Anti)-Held  Ernst-August Traudich,  der auf der Nordsee-Halbinsel Eiderstedt ermittelt, ist alles andere als ein selbst- und siegessicherer Typ. Die schon ein wenig zurückliegende, aber sich für den traurigen Traudich noch sehr frisch anfühlende Trennung  von seiner Lebensgefährtin nimmt Einfluss nicht nur auf seine seelische Grundstimmung, sondern auch sein berufliches Leben samt folgenschwerer Entscheidungen.

In dieser Lebensphase treffen wir den Nordfriesen, der sich hin und wieder einen Magenbitter zu viel genehmigt, beim Polizeidienst an und folgen ihm lesend gerne bei der kleinteiligen Ermittlungsarbeit  auf der halben, zwischen Husum und Büsum liegenden Insel Eiderstedt, die bekannt ist durch das Städtchen St. Peter Ording. Wir begleiten ihn vor allem deshalb gerne, weil Traudich einen guten Charakter hat und ihn unter keinen Umständen verrät, was nicht heißt, dass er keine Fehler macht.

Er ist ein wenig störrisch, dieser mit einem Namen, der zu Hohn und Spott geradezu einlädt, geschlagene Beamte, sein Herz ist wund, und in der Disziplin des Umarmens und Kommunizierens ist er auch nicht gerade ein Meister aller Klassen. Und dennoch oder gerade deshalb mag man den Norddeutschen schnell. Gudrun Wiebke, verschiedentlich ausgezeichnete Mitgliedsfrau der “Mörderischen Schwestern”, versammelt fünf lose miteinander verbundene und mit souveränem Federschwung notierte Episoden aus dem Leben des Ernst-August Traudich in diesem Band. Ihre Zuneigung zum strauchelnden, dennoch aufrecht bleibenden Protagonisten und auch für die Gegend, in der sie das Geschehen ansiedelt, machen den Charme des Buches aus. Sicherlich hat die in Detmold lebende Autorin  mit “Kommissar Traudich & das Schweigen des Stoppelfeldes” das Krimi-Genre nicht neu erfunden. Aber sie mixt aus klassischen Zutaten einen herben Cocktail, der Krimi-Fans gut schmecken wird.

Auch Erica Natale, Bielefelder Autorin mit italienischen Wurzeln, legt sich im aktuell erschienenen “Buch der Tagträume” auf die im Vergleich zum Roman kleinere literarische Form der Erzählung fest. In ihren sprachliebenden Imaginationen geht es um die mit poetischem Vorzeichen versehenen Innen- und Weltsichten eines nicht näher definierten Ichs. Alles wird ihm aus dieser Perspektive zum Abenteuer des Daseins, phantastische Ausflüge in ferne Gestade, Identitätswechsel und Zeitreisen inklusive. Eine Reihe besonders geglückter Sätze sind aufzuspüren in Natales Miniaturen und bleiben lange im Gedächtnis.

“Auf einmal der Einbruch des Lebens. Ein paar Menschen kommen mir entgegen, sie ziehen einen Schlitten hinter sich her wie ihre eigene Kindheit”, heißt es etwa in der Geschichte “Winterwald”.  Andere Kurzprosastücke des Buches bestechen durch ihre kunstvolle Komposition. “Fernglas und Lupe” gehört dazu. Ein stilles, schönes Buch. 

Gudrun Wiebke, Kommissar Traudich & Das Schweigen des Stoppelfeldes, Verlag Akademie der Abenteuer, 150 S., 13 Euro 99.

Erica Natale, Buch der Tagträume, Wiesenburg Verlag, 123 S., 12 Euro 80.

Antje Doßmann

Autor*in: Antje Doßmann

Die Antje...kann über gelungene Kunst-Taten ins Schwärmen geraten, und dann rette sich von ihr aus wer will. Den anderen wünscht sie beim Lesen ein heißes Herz und einen kühlen Kopf.