So Wochenenden

Das Gelände beim "Bunker unter Ulmen" Foto: Rainer Schmidt

Wir sind angekommen in der Zeit, wo alles an liebgewonnenen und lang geplanten Veranstaltungen noch schnell über die (meist im Freien aufgebaute) Bühne gebracht werden will. Man weiß gar, wo man hinspringen soll, sofern man sich traut. An diesem Wochenende steht etwa die verkleinerte Edition der Nacht der Klänge in der Bielefelder Universität (hybrid, auch als Livestream) an, Jazz im Waldhof mit RE:CALAMARI, zuvor dort Ausstellungseröffnung im Kunstverein, Klassische Musik in der capella hospitalis, die Chit Chat Company singt im Botanischen Garten, vor dem Forum endlich eröffnet hat das Bielezelt mit vielfältigem Programm, im Tor 6 führen Agnetha Jaunich und Alina Tinnefeld neue Stücke auf. Und das darauffolgende Wochenende wird bestimmt noch dichter.

Wie sich so ein Wochenende gestaltet, sei hier am Beispiel des vergangenen gezeigt:

“Bunker unter Ulmen” mit der belgischen Formation NAFT
Pop-Up-Appeal

Am Niederwall stehen Bauzäune. Hier ist unter Regie des drunter schlummernden Bunker Ulmenwall ein Partyareal mit Pop-Up-Appeal entstanden (Freiluft-Discoveranstaltungen, ein Angebot des Jugendamts, werden kurzfristig angekündigt). Letztes Wochenende war es Konzertveranstaltungen vorbehalten, am Freitag tanzbar arrangiert vom Kulturkombinat Kamp mit der belgischen Formation NAFT. Tiefe Saxophone und zwei Drummer trieben den Beat wechselseitig auf die Spitze, mit minimalem Elektronikeinsatz, Trompete und Tenorsax entstand ein Techno-Wirbelsturm. In Vorprogramm konnte der chilenische Songwriter Daniel Puente Encina (bekannt durch Soundtrackarbeiten für Fatih Akin) als distanzloser Entertainer das Bielefelder Publikum aus der Reserve locken.

Marvin Blamberg, Hartmut Kracht, Oona Kastner, eine kleine Rotte, die sich auf dem Planeten bedroht sieht
Marvin Blamberg, Hartmut Kracht, Oona Kastner, eine kleine Rotte, die sich auf dem Planeten bedroht sieht
Abgesang auf die Arten

Eine sehr ambitionierte Veranstaltung haben Oona Kastner und Angelika Höger im Hinterhof der Artists Unlimited gestemmt. ‚memorial 6.0′ war ein Aktions- & Performance-Tag um die Themen Artensterben und Klimawandel. Entsprechend schwer, sinister klangstark tönte die Konzert-Performance memorial 6.o – requiem for a lost animal & plant kingdom’ mit Oona Kastners anklagenden Texten und elektronischen Sounds und Hartmut Krachts tief röhrender E-Gitarre, ein bizarrer Kontrast zur ausgelassenen Atmosphäre, die in leiseren Passagen aus der angrenzenden Gastronomie (verstärkt durch an der Kreuzung cornernde Jugendliche) herüberschallte. Das Konzert wurde aufgeführt vor der Videoinstallation Lucie Marsmanns, in der man die Exponate aus Angelika Högers Ausstellung in der Artists Unlimited Galerie wiedererkennen konnte – Präparate aus der Natur, antiquiert, ephemer, fast bürokratisch, aber irgendwie doch in spielerischem Arrangement zur Schau gestellt.
Bemerkenswert der Vortrag von Patrick Urban von der Gesellschaft westfälischer Entomologen, der auf eindringliche Weise die immense Bedeutung der Dungkäfer als Ökosystemdienstleister darstellte, von der insbesondere die Landwirtschaft profitiert (welche sie in ihrer Intensivierung bedroht).       

Besuch im Atelier, vielfach
Im Art-Center zeigte Anne-Christin Radeke Arbeiten in Öl Foto: Antje Doßmann

In Bielefeld fanden zum 30. Mal die “Offenen Ateliers” statt. Mehr als 60 Künstler*innen nutzten die Gelegenheit, Einblicke in Schaffensprozesse zu gewähren, Gespräch und Austausch mit der Kollegenschaft und kunstinteressierten Öffentlichkeit zu pflegen und auch das eine andere Werk unter die Leute zu bringen. Gegenseitige Wahrnehmungen führten zu durchweg positive Resonanzen. Auf der Besucherseite wurde insbesondere die deutliche Kennzeichnung durch menschengroße Banner gelobt, die ein müheloses Aufspüren auch verborgen gelegener Ateliers ermöglichte. Und hatte man in der Vergangenheit schon manchmal leichte Ermüdungserscheinungen beobachten können bei der in die Jahre gekommenen Veranstaltung, so überwog in diesem Jahr die Freude des Wiedersehens.

Re-Music in neuer Kulisse ; Kulturhammer der Recyclingbörse im Herforder Gewerbegebiet

Sonntags ein Ausflug ins Niedriginzidenzgebiet. Die Recyclingbörse Herford, Ausrichterin des “Kulturhammer” mit Musikerflohmarkt, Podiumsgespräch und Bühnendarbietungen von Laienmusikern, hat neue Geschäftsräume bezogen, ein Gebäude mit dem Charme einer in die Jahre gekommenen Mall, im Gewerbegebiet draußen vor der Stadt. Das hat der sympathischen Veranstaltung leider den Schwung genommen, es mangelte einfach an Publikum.

Rainer Schmidt

Autor*in: Rainer Schmidt

"Wenn man sich schon Illusionen macht, dann aber auch richtig. Es muss stimmen, wenns auch nur von kurzer Dauer ist." – Django