Wir sind angekommen in der Zeit, wo alles an liebgewonnenen und lang geplanten Veranstaltungen noch schnell über die (meist im Freien aufgebaute) Bühne gebracht werden will. Man weiß gar, wo man hinspringen soll, sofern man sich traut. An diesem Wochenende steht etwa die verkleinerte Edition der Nacht der Klänge in der Bielefelder Universität (hybrid, auch als Livestream) an, Jazz im Waldhof mit RE:CALAMARI, zuvor dort Ausstellungseröffnung im Kunstverein, Klassische Musik in der capella hospitalis, die Chit Chat Company singt im Botanischen Garten, vor dem Forum endlich eröffnet hat das Bielezelt mit vielfältigem Programm, im Tor 6 führen Agnetha Jaunich und Alina Tinnefeld neue Stücke auf. Und das darauffolgende Wochenende wird bestimmt noch dichter.
Wie sich so ein Wochenende gestaltet, sei hier am Beispiel des vergangenen gezeigt:

Pop-Up-Appeal
Am Niederwall stehen Bauzäune. Hier ist unter Regie des drunter schlummernden Bunker Ulmenwall ein Partyareal mit Pop-Up-Appeal entstanden (Freiluft-Discoveranstaltungen, ein Angebot des Jugendamts, werden kurzfristig angekündigt). Letztes Wochenende war es Konzertveranstaltungen vorbehalten, am Freitag tanzbar arrangiert vom Kulturkombinat Kamp mit der belgischen Formation NAFT. Tiefe Saxophone und zwei Drummer trieben den Beat wechselseitig auf die Spitze, mit minimalem Elektronikeinsatz, Trompete und Tenorsax entstand ein Techno-Wirbelsturm. In Vorprogramm konnte der chilenische Songwriter Daniel Puente Encina (bekannt durch Soundtrackarbeiten für Fatih Akin) als distanzloser Entertainer das Bielefelder Publikum aus der Reserve locken.

Abgesang auf die Arten
Eine sehr ambitionierte Veranstaltung haben Oona Kastner und Angelika Höger im Hinterhof der Artists Unlimited gestemmt. ‚memorial 6.0′ war ein Aktions- & Performance-Tag um die Themen Artensterben und Klimawandel. Entsprechend schwer, sinister klangstark tönte die Konzert-Performance memorial 6.o – requiem for a lost animal & plant kingdom’ mit Oona Kastners anklagenden Texten und elektronischen Sounds und Hartmut Krachts tief röhrender E-Gitarre, ein bizarrer Kontrast zur ausgelassenen Atmosphäre, die in leiseren Passagen aus der angrenzenden Gastronomie (verstärkt durch an der Kreuzung cornernde Jugendliche) herüberschallte. Das Konzert wurde aufgeführt vor der Videoinstallation Lucie Marsmanns, in der man die Exponate aus Angelika Högers Ausstellung in der Artists Unlimited Galerie wiedererkennen konnte – Präparate aus der Natur, antiquiert, ephemer, fast bürokratisch, aber irgendwie doch in spielerischem Arrangement zur Schau gestellt.
Bemerkenswert der Vortrag von Patrick Urban von der Gesellschaft westfälischer Entomologen, der auf eindringliche Weise die immense Bedeutung der Dungkäfer als Ökosystemdienstleister darstellte, von der insbesondere die Landwirtschaft profitiert (welche sie in ihrer Intensivierung bedroht).
Besuch im Atelier, vielfach

In Bielefeld fanden zum 30. Mal die “Offenen Ateliers” statt. Mehr als 60 Künstler*innen nutzten die Gelegenheit, Einblicke in Schaffensprozesse zu gewähren, Gespräch und Austausch mit der Kollegenschaft und kunstinteressierten Öffentlichkeit zu pflegen und auch das eine andere Werk unter die Leute zu bringen. Gegenseitige Wahrnehmungen führten zu durchweg positive Resonanzen. Auf der Besucherseite wurde insbesondere die deutliche Kennzeichnung durch menschengroße Banner gelobt, die ein müheloses Aufspüren auch verborgen gelegener Ateliers ermöglichte. Und hatte man in der Vergangenheit schon manchmal leichte Ermüdungserscheinungen beobachten können bei der in die Jahre gekommenen Veranstaltung, so überwog in diesem Jahr die Freude des Wiedersehens.

Sonntags ein Ausflug ins Niedriginzidenzgebiet. Die Recyclingbörse Herford, Ausrichterin des “Kulturhammer” mit Musikerflohmarkt, Podiumsgespräch und Bühnendarbietungen von Laienmusikern, hat neue Geschäftsräume bezogen, ein Gebäude mit dem Charme einer in die Jahre gekommenen Mall, im Gewerbegebiet draußen vor der Stadt. Das hat der sympathischen Veranstaltung leider den Schwung genommen, es mangelte einfach an Publikum.
Band zuhause gelassen, Publikum muss ran: Daniel Puente Encina Ohne Worte: Butoh-Performance im Rahmen der “memorial 6.0” Aktion im Innenhof der Artists Unlimited Im Kleinen liegt in der Summe großer Nutzen: Entomologe Patrick Urban über sein Spezialgebiet, die Dungkäfer Videoinstallation „BIENENSTARK! Vom Leben und Sterben“: ART at WORK Hartmut Kracht, bejkannt als Jazzbassist (“Das Böse Ding”…) mit neuem Spielzeug, der Baritongitarre Arbeitet mit Kupfer, das von den Dächern der Neustädter Marienkirche und des Paderborner Doms stammt: der Bielefelder Künstler Thorsten Rehm Angelika Höger arrangierte in der Artists Unlimited Galerie Präparate Auseinandersetzung mit Zenbuddhistischen Themen: Arbeiten von Gilbert Bender Leuchtend, kraftvoll, abstrakt: Arbeiten von Elisabeth Lasche