Berührungspunkte mit dem jüdischen Leben

Gute Laune-Garant: der israelische Schauspieler Moshe Beker, der mehr an Udo Jürgens erinnerte als an einen Volkslieder-Interpreten. Foto: Rainer Schmidt

Das Jüdische Kulturfest wartet mit vielen Veranstaltungen informativen wie auch unterhaltenden Charakters auf – Moshe Beker machte Appetit mit seinem hebräisch-deutschen Liederabend.

Die Bielefelder Jüdische Kultusgemeinde, die Deutsch-Israelische Gesellschaft und die Volkshochschule haben dafür gesorgt, dass das Jüdische Kulturfest auch im Pandemiejahr turnusgemäß stattfindet. Diesmal unter dem Motto „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, welches von einem eigens gegründeten Verein deutschlandweit ausgerufen worden ist, um auf den kulturellen Einfluss jüdischer Religionsangehöriger hinzuweisen.

Ich habe lang nachgedacht über die Mahnung der Vorsitzenden der Bielefelder Jüdischen Gemeinde, Irith Michelsohn, man sehe es nicht gern als Jubiläum oder Festjahr. Da fiel mir Marcus Beuter mit seinem Rechercheprojekt ein, das die erwünschte Selbstverständlichkeit des Zusammenlebens thematisiert. Dass gerade in einer säkularen Gesellschaft nicht schon wieder nach Religionszugehörigkeiten getrennt werden darf. Das Unbehagen der Akteure, dass jüdisches Leben so viel unter dem Eindruck der Shoah und Nahostkonflikt betrachtet wird, muss man als berechtigt ansehen.

Vielfältiges Programm: Komponist Bernd Wilden, Dr. Uwe Günther (DIG), Irith Michelsohn von der Jüdischen Kultusgemeinde und Beate Ehlers (VHS) im Vorfeld der jüdischen Kulturtage. Foto:Rainer Schmidt

Bis zum 10. Oktober finden Vorträge, musikalische und literarische Darbietungen sowie Workshops statt.

Auftakt ist die Eröffnung der Ausstellung „Jekkes in Israel“, am 5. September, 11:30 h, im Historischen Saal der Ravensberger Spinnerei).

Mediterrane Wärme und Lebenslust

Oranit Ben Zimra porträtierte für “Jekkes in Israel” deutschstämmige Israeli der Auswanderergeneration der Shoah in ihrem neuen Lebensumfeld, das sie angelehnt an ihre deutsche Heimat gestalteten. Mit der Fotografin angereist ist der israelische Sänger und Schauspieler Moshe Beker, seit 16 Jahren ergänzen sie sich in ihren künstlerischen Projekten. In seinem vorgezogenen Liederabend tritt er auf als quietschfideler, schalkhafter Entertainer, (seine Biographie hat er clever versteckt. Da er in Israel “Moshe Becker” geschrieben wird, kommt man äußerst schwer an die Information, dass der dynamische Hüne schon 66 Jahre zählt).

Er hat das in erfreulicher Zahl erschienene Publikum im Historischen Saal sofort im Griff mit seinen zum Playback dargebotenen Songs, die ein Gefühl von mediterraner Wärme und Lebenslust verbreiten.

Die hibbeligen Melodien der hebräischen Lieder erfahren in den Strophen, die er sich ins Deutsche hat übersetzen lassen, eine eher fremdartige Klangfärbung, aber auch das ist durchaus charmant. Dazu singt er Evergreens wie “Mignight in Moscow” und erweist den als jüdische Künstlergruppe memorablen Comedian Harmonists seine Reverenz mit “Mein Kleiner Grüner Kaktus”.

Identitätsfindung und Tradition

Man kann seine Augen nicht davor verschließen: Jüdisches Kunstschaffen kreist viel um die Themen Identitätsfindung und Migration. Wie die in Melle geborene Schriftstellerin und Kinderbuchautorin Ilse Losa im portugiesischen Exil Autobiographisches und Fiktion verwoben hat, können Kinder ab 6 Jahren in der szenischen Lesung aus „Beatriz und die Platane“ erfahren, die während des traditionellen Laubhüttenfests, Sukkot, im Außenbereich der Synagoge Beit Tikwa, Detmolder Straße 107, stattfindet – am Sonntag, 19. September, um 11.30 Uhr.

Mit Gesang, Piano und Cello kommt am 30. September „The Third Generation Cabaret“ im historischen Saal der VHS zur Aufführung. Nitsan Bernstein verkörpert eine junge israelische Sängerin, die nach Berlin, dem Geburtsort ihrer Großmutter, immigriert.

Weitere Konzertabende gehören ebenfalls zum Programm. Dazu gehört am 26. September die kammermusikalische Begegnung „Mein blaues Klavier“ in der Synagoge mit Texten von Else Lasker-Schüler. Komponist Bernd Wilden, mit der Lyrik der Autorin des Expressionismus seit seiner Studienzeit vertraut, erstellte sie und fügt eine „entschlackte“ Neuinterpretation der Kol-Nidre-Variationen von Max Bruch hinzu.

Synagoge Beit Tikwa, hier findet z.B. der Kammermusikabend mit Kompositionen von Bernd Wilden statt. Foto: Rainer Schmidt

Jüdische Lieder und Klezmermusik interpretieren Helmut Eisel und JEM sowie„Trio Picon“ mit der Bielefelder Akkordeonistin Ramona Kozma am 10. September um 19 Uhr in der Volkshochschule. Nachmittags finden für Musiker Workshops der Bandleader statt.

Ergänzende Vorträge

Mit der jüdischen Siedlungsgeschichte in Deutschland befassen sich Vorträge von Lucia Raspe, musikalisch begleitet von Paul Yuval Adam, Kantor der jüdischen Kultusgemeinde in Bielefeld, am 23. September, 18 Uhr, in der Synagoge. und von Bernd Wagner, der am 7. Oktober zur Bielefelder Gesellschaft referiert, wo man seit knapp 700 Jahren jüdische Mitbürger antraf, die im 19. Jahrhundert gut integriert waren.

Der Historiker Klaus Kreppel bietet am 16. und 30. September um 16 Uhr Führungen durch die Ausstellung „Jekkes in Israel“ an.

Die Organisatoren sind stolz darauf, die Veranstaltungen überwiegend entgeltfrei anbieten zu können, nach den gültigen 3G-Bestimmungen. An der Synagoge stehe eine Schnellteststation zur Verfügung.

Darüber hinaus wird um eine Anmeldung unter http://www.vhs-bielefeld.de gebeten.

Rainer Schmidt

Autor*in: Rainer Schmidt

"Wenn man sich schon Illusionen macht, dann aber auch richtig. Es muss stimmen, wenns auch nur von kurzer Dauer ist." – Django