Viel Raum zwischen Ja und Nein

Mit dem Herforder Anarchopoeten Ralf Burnicki und dem Bielefelder Lyriker Hellmuth Opitz haben zwei Autoren, deren Werke weit über die Region hinaus strahlen, in diesem Frühjahr neue Bücher veröffentlicht.

Beiden Dichtern ist eine nicht nachlassende Begeisterung für das geschriebene und auch gesprochene Wort gemein, mit all den Möglichkeiten, die Sprache bietet: Zärtliches, selbstironisches, manchmal melancholisches, immer assoziatives Spiel bei dem einen, Opitz, dem allgemeiner und spezieller Zorn über den Ist-Zustand der Welt nicht fremd ist, wiewohl er damit meistens hinter dem Berg hält, um Erfreulicherem das lyrische Vorland zu überlassen.

Bewusst umgekehrt arbeitend das poetische Prinzip beim anderen, Ralf Burnicki. Sein Schreibmotor wird angetrieben von der entschlossenen Suche nach einer Perspektive für eine menschenwürdige und herrschaftslose Welt, und noch die innigsten, sanftesten Bilder, die er bei diesem Ausschauhalten findet, einsammelt und zu sensiblen Textgebilden formt, treten zurück zugunsten des kritisch-engagierten Movens. “Anarchie ist machbar, Herr Nachbar” – einer wie Burnicki hat das bewundernswerte Format, der Sponti-Parole mit intelligent agitierenden Gedichten und Prosatexten pures Leben einzuhauchen. Dass literarische Güte und politischer Nachdruck dabei Hand in Hand gehen, versteht sich bei ihm von selbst.

Auch sein neuer Anarcho-Poetry-Band “Lichtaspirin” gibt Zeugnis von seiner ebenso inspirierten wie sendungsbewussten Weltwahrnehmung. Das im Verlag Edition AV erschienene Buch enthält neben Essays, Reden und Aufsätzen zu gesellschaftsrelevanten Themen wie Ethik, Arbeit, Gender- und Herrschaftstheorie auch verfremdete Großstadtaufnahmen in schwarz-weiß, deren an Holzschnitte erinnernde Ästhetik einerseits gut zu den Sujets des Autors passt, andererseits für gestalterische Auflockerungen sorgt.

Ganz im Hier und Jetzt angesiedelt und nur gelegentlich in nostalgische Jugenderinnerungen abdriftend (“Die Wela-Frau”) präsentieren sich auch die Gedichte, die Hellmuth Opitz in seinem aktuellen Band versammelt hat. “Rauschnacht Flauschnacht” ist bereits das zehnte Buch des Bielefelders im Pendragon Verlag. Einmal mehr erweist sich Opitz hier als vergnügter Feld, Wald und Wiesen-Spitzel, der mit unverkennbarer Handschrift  treffende Worte für die Laute heimischer Vögel (und Menschen) zu Papier bringt und beim Anblick alter Bäume in einen ebenso tief- wie scharfsinnigen Gedankenfluss geraten kann. Routiniert pointiert und auch als Corona-Sprachsezierer eine komische Klasse für sich, bietet sein neues Buch, wofür viele ihn sehr schätzen: Lyrik mit hohem Unterhaltungswert!     

An diesem Mittwoch, 20.04.22, 20 Uhr, stellt Hellmuth Opitz den neuen Lyrik-Band in der Stadtbibliothek Bielefeld vor. Karten unter www.stadtbibliothek-bielefeld.de, Eintritt frei.

    

Ralf Burnicki

Lichtaspirin. Anarchopoetry

Bodenburg (Edition AV) 2022

ISBN 978‐3‐86841‐274‐1

112 Seiten

12 Euro

Hellmuth Opitz

Rauschnacht Flauschnacht

Gedichte

Bielefeld (Pendragon Verlag) 2022

ISBN 978-3-86532-782-6

120 Seiten (Hardcover)

20 Euro

(auch als eBook erschienen)

   

Antje Doßmann

Autor*in: Antje Doßmann

Die Antje...kann über gelungene Kunst-Taten ins Schwärmen geraten, und dann rette sich von ihr aus wer will. Den anderen wünscht sie beim Lesen ein heißes Herz und einen kühlen Kopf.