Das Lachen in Zeiten des Krieges

Vor Gericht spielen einige der subversiven Sketche Monty Pythons. Hier ist zu sehen, wie Carolin Soyka die Götter anruft im Namen der Freiheit, was die Amtsrichterin (Susanne Schieffer) nervt und den "Chef" im Hintergrund amüsiert. Foto: Joseph Ruben

Gestern Abend feierte “Singin’ Circus” Premiere am Stadttheater Bielefeld. Die von Intendant Michael Heicks mit viel Verve in Szene gesetzte Hommage an Monty Pythons legendäre Comedy-Show “Flying Circus” fällt in eine Zeit, da uns selten zum Lachen zumute ist. Und kommt vielleicht gerade dadurch genau im richtigen Augenblick.

Denn Humor ist Widerstand. Gegen Obrigkeiten, herrschende Zustände, Bigotterie und Scheinheiligkeit. Und kaum etwas wird von Mächtigen so sehr gefürchtet wie das respektlose Lachen, für das “Monty Python” geradezu synonym steht.

Von “Des Kaisers neuen Kleidern”, Chaplins “Großen Diktator” über den “Namen der Rose” bis zum politischen Witz, der zuletzt in Trump-Zeiten in besonders prächtiger Blüte stand (“Was grenzt an Dummheit? Mexiko und Kanada!”), weiß die Kulturgeschichte des Menschen von der Kraft der Komik viele moralisch aufbegehrende und zugleich aufbauende Geschichten zu erzählen.

Weil guter Humor, so scharf oder schräg er auch sei, im Kern immer genau das ist: gemeinschaftsstiftend, befreiend und ganz auf der Seite des von Daseinsdepression gebeutelten Individuums. Er ist der Spiegel, der entlarvt und das Ventil für gramvolle Herzen. Und ihn trotz aller Barbarei nicht zu verlieren, ist eine Leistung der Kultur, die unser geistiges Überleben im Laufe der Jahrhunderte womöglich genauso gesichert hat wie gerechter Zorn, mit dem er Hand in Hand geht, wenn es darauf ankommt. Es lohnt sich also, das gewitzte Spiel mit der Wirklichkeit in der Welt zu halten und ihm eine Bühne zu geben.

Es mögen nicht zuletzt Überlegungen dieser Art gewesen sein, die Heicks dazu veranlasst haben, mit “Singing’ Circus” einen “Sketch- und Liederabend aus britischer Manufaktur” zu präsentieren, der alles vergessen ließ, was an Schande und Scheiße – Entschuldigung – gerade passiert. Denn Monty Pythons anarchovergnügtes ziviles Ungehorsam-Treiben, das genüsslich alle Erwartungen unterläuft und in den 70 er Jahren das deutsche Fernsehvolk noch erheblich irritierte, zündet bis heute. Auch wenn sich an einigen Stellen, wie bei ihren Ulks über Homo- und Transsexualität als Mittel zur Unterwanderung konservativer Männlichkeitsideale, deutlich zeigt, dass die Aufklärung seit der Blütezeit der britischen Komikertruppe entgegen aller Befürchtungen inzwischen doch vorangeschritten ist.

Grundsätzlich aber ließ sich über ihr Maßstäbe setzendes Humorprinzip in den meisten Sketchen wirklich in aller Frische lachen. Wie komisch es zum Beispiel ist, wenn ein zunächst verschlagen daherkommender Kleinkrimineller sich plötzlich genötigt sieht, seine Ganovenehre zu verteidigen, zeigte John Wesley Zielmann im “Zoll-Sketch”.

Zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich schon ab, dass die Premiere ein Erfolg werden würde; er verdankte sich im Wesentlichen der rasant eleganten Inszenierung. Neben dem mit Georg Böhm, Janis Kuhnt, Susanne Schieffer, Carolin Soyka und eben John Wesley Zielmann großartig besetzten Ensemble bestachen einmal mehr William Ward Murtas musikalische Arrangements und Michael Heicks’ Gespür für unterhaltsame Übergänge, skurrile Details und subtile, auch selbstironische Regieeinfälle.

Man merkte der Inszenierung an, dass hier Monty Python-Fans mit großem Spaß an der schwarzhumorigen Sache zu Werk gegangen waren. Es gab eine Reihe sehr komischer Running Gags, zu denen auch gehörte, dass sich die Mitglieder der Truppe untereinander in einem Zustand permanenter neiderfüllter Konkurrenz befanden.

Musikalische Leitung: William Ward Murta; Inszenierung und Bühne: Michael Heicks; Kostüme: Jürgen Höth; Dramaturgie: Jón Philipp von Linden; Irene Wildberger; Musikalische Einstudierung: Oliver Siegel; Frau 1: Susanne Schieffer; Frau 2: Carolin Soyka; Mann 1: Georg Böhm; Mann 2: Janis Kuhnt: Mann 3; John Wesley Zielmann Foto: Joseph Ruben

Vom dilettantischen Kaufhausdieb (Janis Kuhnt), der im Eingangssketch buchstäblich dumm aus der (Damen)-Wäsche schaute, bis zum (natürlich obligatorischen) Monty Python Smash-Hit “Always Look on the Bright Side of Life”, den die fabelhaften Fünf zum Abschluss schmetterten, spannte sich ein Bogen mutwilliger, hintergründiger, nicht selten aberwitzig eskalierender Sketche, deren Pointen (so es denn eine gab) wunderbar herausgearbeitet wurden.

In Erinnerung werden Momente absurder Komik bleiben. Der Gangster-Sketch und der Käse-Sketch und der Restaurant-Sketch. Georg Böhm, der auch als Conferencier auftrat, wie er als Schöffe John Wesley Zielmann in seiner Rolle als sentimentaler Massenmörder anschmachtet und wie dieser in einer früheren Szene als Schokofroschfabrikant auftrumpft. Janis Kuhnt als öder Möchtegern-Löwenbändiger und dann drei der Truppe als Vertreter der spanischen Inquisition, die an ihrer Arbeitsplatzbeschreibung scheitern – grandios.

In Erinnerung wird auch bleiben, wie Susanne Schieffer als pfiffig verpeilte Polizistin mit ihrem Zauberstab versehentlich Carolin Soyka zum Singen – und mit Ach und Krach wieder zum Schweigen bringt, wie sie später gemeinsam mit ihr als finnisches Damenduo auftritt und wie das Orchester mit perfektem Timing jeden Fauxpas und Aplomp des Ensembles unterstreicht. Ein Abend, der einfach Spaß machte. Weil er das Kind in uns wachrief, das noch Chaos in sich trägt.

Die nächsten Vorstellungen: 28.05., 01.06., 18.06., 26.06., 30.06.

Antje Doßmann

Autor*in: Antje Doßmann

Die Antje...kann über gelungene Kunst-Taten ins Schwärmen geraten, und dann rette sich von ihr aus wer will. Den anderen wünscht sie beim Lesen ein heißes Herz und einen kühlen Kopf.