Käfermensch/Menschkäfer

Erzählten von der Last und der Lust ihrer Körper, der Sehnsucht ihrer Herzen und der Verwirrung ihres Geistes: Angela Calow und Bernold Rix in der von Katrin Nowak inszenierten Kafka-Performance "Samsas Verwandlungen" in der Theaterwerkstatt Bethel Foto: Matthias Grässlin

Kafka und Murakami. Die Verwandlung und die Verwandlung der Verwandlung. Vom Menschen zum Käfer zum Menschen – Mutationen oder Metamorphosen? Und überhaupt: Was ist das eigentlich für ein Erzählstoff? Wer ist Gregor Samsa? Wofür steht diese hybride Kreatur? Und welche Rolle spielen Frauen in seinem Leben? Spielen sie?

Es waren Fragen dieser Natur, die Katrin Nowak und mit ihr Angela Calow und Bernold Rix zu “Samsas Verwandlungen” inspiriert haben. Eine Schauspiel-Performance in der Theaterwerkstatt Bethel und rundum. Wer eine der drei Aufführungen am vergangenen Wochenende besucht hat, erlebte eine sinnliche Raumerforschung, die sowohl das konkrete Areal, die Spielstätte, umfasste, als auch das abstrakte Feinstoffliche zwischen zwei Menschen, in diesem Fall besser gesagt: zwischen zwei Wesen.

Denn um wen oder was es sich genau bei den beiden Figuren handelte, die Angela Calow und Bernold Rix verkörperten, erschloss sich nicht auf Anhieb. Spannend! Auch dass der Theaterabend draußen und mit einem Ausflug ins “Urbane” begann. Wo es dann zunächst eine scheue tierhafte Baumbewohnerin (Calow) zwischen den Blättern eines Astes zu entdecken gab, deren Anmutung mit “cute”, wie es eine der Zuschauerinnen zu ihrer Begleitung raunte, tatsächlich am besten zu beschreiben war. Ein niedliches, possierliches, naiv wirkendes Wesen, das die Theatergäste mitnahm in die Tiefgarage, wo vielleicht, mit etwas Phantasie, Prag lag in diesem Moment, die goldene Stadt.

Was die Schauspielerin dort schließlich in einem Kofferraum entdeckte, erschnüffelte, erlauschte war – in Gestalt von Bernold Rix – das männliche Gegenüber, das sie an diesem ungewöhnlichen und bewegenden Theaterabend haben würde. Mit ihm würde sie, lose an Motiven aus Franz Kafkas Erzählung “Die Verwandlung” und Haruki Murakamis Kurzgeschichte “Samsa in Love” orientiert, Verwandlungen in Raum, Zeit und Körper verschiedenster Art durchspielen. Den Blick dabei zugleich auf innere und äußere Vorgänge gerichtet, aber immer präzise fokussiert auf die Gegenwart.

Was ist los? Mit dem Menschen, der ich bin, mit den Menschen, die wir sind. Wo sind meine eigenen Panzer? In welchen Situationen bin ich eher Käfer, Tier im Käfig, in mir selbst gefangener Mensch? Und was rettet Mensch, Tier, Mann, Frau manchmal? Die Liebe natürlich, die mit sexuellem Verlangen, körperlicher Berührung, leiblicher Vereinigung einhergeht, was jemanden wie Kafka und mit ihm seine Figur des Gregor Samsa ängstlich quälte.

Katrin Nowaks Inszenierung, die mit wenigen Kunstgriffen, zu denen das raffinierte Spiel mit Innen- und Außenraum gehörte, komplexe Zusammenhänge herstellte, befreite beide literarischen Vorlagen von Hemmungen und Verklemmungen und ließ nicht zu, dass ihre beherzt die Initiative ergreifende weibliche Protagonistin zum Opfer des Samsaischen Triebstaus wurde. Die von den beiden Schaupielenden erarbeiteten Texte, ihr freies, mutiges Spiel und besonders ihr plötzliches Schweben zu Lenny Kravitz’ “I belong to you” (die Liebe aus heiterem Himmel) machten den Abend zu einem Erlebnis der besonders feinen Art.

Antje Doßmann

Autor*in: Antje Doßmann

Die Antje...kann über gelungene Kunst-Taten ins Schwärmen geraten, und dann rette sich von ihr aus wer will. Den anderen wünscht sie beim Lesen ein heißes Herz und einen kühlen Kopf.