Ausstellungszeitraum

Oriane Durand zeigt in der Ausstellung von Tolia Astakhishvili Wände, die keine echten Wände sind. Fotos: Rainer Schmidt

Es ist ein länglicher Titel für eine Ausstellung, doch genau richtig, um im Kopf der interessierten Person gleich einen ganzen Kurzfilm ablaufen zu lassen. Bei “I think it’s closed / Ich glaube, wir sollten woanders hingehen” handelt es sich um zwei Einzelausstellungen zwischen Skulptur und Installation, jeweils die ersten der Künstler*innen in Deutschland.

Tolia Astakhishvili ( aus Georgien stammend, dort in Tiflis sowie in Berlin arbeitend) machte sich zu Beginn ihrer Residenz am Sitz des Bielefelder Kunstvereins, dem Waldhof, mit der Geschichte des Gebäudekomplexes vertraut. Der Adelshof, zuerst im 9. Jahrhundert erwähnt, diente im 17. Jh. als Asyl für Vogelfreie, wovon eine Pforte inmitten eines Fensters zeugt, natürlich verschlossen mittlerweile, daher kam die Künstlerin auf den Titel “I think it’s closed”, wie Kunstvereinsleiterin Oriane Durand beim Presserundgang erläuterte. (Es ergab sich hinterher ein Gepräch über den richtigen Moment des Erscheinens in einer werdenden Ausstellung; der “Blogger” sollte bestrebt sein, zu einer Vernissage sehr verfrüht zu kommen, um die Chance zu haben, von Künstler*innen etwas zu erfahren, bevor die Gäste sie voll in Anspruch nehmen. Oder die Werke in Ruhe betrachten zu können. Bei Pressekonferenzen ist es eigentlich egal. Diesmal erschien die Mehrzahl der Pressevertreter eine viertel Stunde vor dem Termin)

Was wird so ein unvorbereiteter Betrachter im Ausstellungsraum wahrgenommen haben?

Es hängt nix. Steht auch nichts auf Sockeln oder in Vitrinen. Wände haben Ausläufer, die dort nicht hingehören, sie bestehen aus akkurat gefügten Rigipsplatten, wirken aber beschmuddelter als bei landläufigen Baumaßnahmen. Hier und da gibt es auch kleinere Exponate, Gekritzeltes, beiläufig Hinterlassenes.

Arbeitszeug einer Künstlerin im lichtdurchfluteten Ausstellungsraum des Bielefelder Kunstvereins
Haus mit langer Geschichte

Die Unterbringung zeitgenössischer künstlerischer Institutionen hierzulande ist interessant. Oftmals findet man sie in Gemäuern mit jahrhundertealter, wechselvoller Nutzungsgeschichte, deren Spuren nicht immer offenbar zu Tage treten. Hier kann künstlerisch-architektonische Intervention ansetzen, meist für einen Ausstellungszeitraum: In ausgeräumten Ausstellungsräumen weisen sparsam aufgebaute Strukturen auf besondere räumliche Gegebenheiten und Praktikabilität hin.

Im Bielefelder Kunstverein trat die Künstlerin mit hohem Einsatz an Werkzeug und Material an, legte etwa eine unter Putz befindliche Fensterlaibung mitten im Ausstellungsraum frei, baute jedoch darum eine zusätzliche Kammer in den Raum ein. Das Spiel setzt sich ins Souterrain fort. Hier läuft man auch vor künstliche Wände, nimmt Perspektiven auf andere Weise wahr, kann die versteckten figürlichen Darstellungen in die Sphäre des Geistigen oder der Geister verweisen, ein unverbindliches Angebot einer subtilen Schau freilich.

Die nicht ganz so willkommenen Besucher

Im Obergeschoss findet man sich einer Situation gegenüber, die wie eine Bühne wirken soll, wie sich Ludovic Beillard ausdrückt, der zusammen mit Angélique Aubrit hierIch glaube, wir sollten woanders hingehen” aufgebaut hat. Oder ein Film-Still, schließlich ist eine der Hauptausdrucksformen des Künstler*in-Duos aus Frankreich der Videofilm, und auch diese Arbeit wird gefilmt werden. Zugrunde liegt eine Geschichte, in der ein bekifftes Paar im Zuge einer “Lost Places”-Exploration in ein scheinbar verlassenes Haus eingebrochen ist. Es stellt sich heraus, dass sich im Nebenraum eine weitere Person aufhält, wobei dem Paar nicht klar ist, ob sie unversehrt ist oder nur schläft.

Ludovic Beiilard erläutert die Installation “Ich glaube, wir sollten woanders hingehen”

Auffällig ist, dass die beiden Zimmer mit ihren knapp brusthohen Raumteilern doch eher kleinbürgerliche Ordnung ausstrahlen. Das raubt der Illusion ein wenig die Schärfe, deutlich dagegen ist, dass die tragbaren Kostüme der Protagonisten mit ihren übergroßen Holzköpfen wie achtlos zurückgelassen wirken und dazu ohnehin ziemlich gruselig,

Rainer Schmidt

Autor*in: Rainer Schmidt

"Wenn man sich schon Illusionen macht, dann aber auch richtig. Es muss stimmen, wenns auch nur von kurzer Dauer ist." – Django