Vernetzen und Fäden auswerfen – Das Künstlerinnenforum wird 20 Jahre alt

Die Frauen im Vorstand des Künstlerinnenforums. Von re. vorne: Gabriele Sonnenberg, Leonore Franckenstein, Heidi Wiese, Christine Halm, Allmuth Wessel.

Vor gut 3 Monaten, kurz bevor der Ernst der Pandemie auch in den Köpfen europäischer Staaten angekommen war, fand in der Stapenhorststraße 73, Atelier und Büro des Künstlerinnenforums, eine Vernissage statt, die dermaßen gut besucht war, dass der Raum zu platzen drohte. Die Bilder der drei Künstlerinnen, die unter dem Motto „cum grano salis“ ausgestellt hatten, hängen noch, als ich mich mit den fünf Vorstandsfrauen, Gabriele Sonnenberg, Leonore Franckenstein, Heidi Wiese, Christine Halm und Allmuth Wessel in gebührendem Abstand zu einem Gespräch darüber treffe, was das Künstlerinnen Forum eigentlich ist und welche Ziele der Verein aktuell verfolgt.

Gabriele Sonnenberg, die gemeinsam mit Irene Below maßgeblich für die Gründung des mittlerweile 20 Jahre bestehenden Vereins verantwortlich war, berichtet davon, wie eine 1999 an der Universität Bielefeld durchgeführte und zwei Jahre später publizierte Studie zur Präsenz regionaler Künstler*innen in Ausstellungen zwischen 1960 und 2000 ein eklatantes Problem aufdeckte: Regionale Künstler hatten selten Ausstellungen, regionale Künstlerinnen waren so gut wie überhaupt nicht vertreten. “Das muss sich ändern”, fanden Gabriele Sonnenberg und Irene Below, und gründeten, unterstützt vom Frauenkulturbüro, zunächst das Frauenkunstforum, das zwei Jahre später, 2002, als eingetragener Verein unter dem Namen „frauenkunstforum-owl. e.V.“ bekannt wurde.

Eine Vereinigung, die weit mehr als ein Netzwerk ist

Ihrem Ziel: professionalisieren, vernetzen, qualifizieren, präsent sein, informieren, forschen und dokumentieren, sind die über 100 Mitglieder bis heute treu geblieben. Auch der Ansatz, sich auf die jeweiligen Stärken einzelner Mitglieder zu konzentrieren und diese gleichzeitig zu vernetzen, zahlt sich noch immer aus. Entstanden ist auf diese Weise eine Vereinigung, die weit mehr als ein Netzwerk ist.

Von Anfang an lag dem Verband, der sich inzwischen Künstlerinnen-Forum nennt, am Herzen, Frauen sichtbar zu machen und ihr Wirken zu dokumentieren. Als Vorbild nennt Gabriele Sonnenberg die „Guerilla Girls“, die bereits vor 30 Jahren auf spektakuläre Art für die Sichtbarkeit von Künstlerinnen kämpften, deren Werke oft genug in lichtlosen Ecken verstaubten. Eine der ersten Forderungen der Künstlerinnen in Bielefeld lautete dann auch: Frauen raus aus den Depots.

Immer noch betreibt das Künstlerinnenforum hartnäckig Grundlagenarbeit und historische Recherche.  Mitglieder der Initiative „Lesen gegen das Vergessen“ haben die Exilautorin Ilse Losa für sich entdeckt.
In Melle aufgewachsen, ist sie früh vor dem nationalsozialistischen Regime nach Portugal geflohen und hat dort als Schriftstellerin und Übersetzerin gearbeitet. So hat Losa z.B. das Tagebuch der Anne Frank und Bücher von Anna Seghers ins Portugiesische übertragen. Eine Gruppe Frauen bemüht sich derzeit darum, dass etwas aus dem reichen Fundus an Jugend- und Kinderbüchern, die sie hinterlassen hat und bislang nicht auf Deutsch vorliegen, übersetzt und herausgebracht wird.

Auch für diese Art der Unterstützung haben die Frauen des Künstlerinnenforums einen treffenden Namen gefunden. Seit 20 Jahren dokumentiert und präsentiert die in der Bielefelder Stadtbibliothek beheimatete “ein-seh-bar” wiederentdeckte und praktizierende Künstlerinnen. Seit geraumer Zeit, von der Corona-Krise unterbrochen, finden dort Vorstellungsstunden einzelner Künstlerinnen statt. Ein Angebot, das mit Interesse aufgenommen wird.

Erfolge geben Kraft zur Bewältigung weiterer Aufgaben

Obwohl sich einiges zum Besseren gewandelt hat, gibt es nach wie vor Aufgaben, die bewältigt werden wollen. Aktuell sieht sich der Verein zum Beispiel damit konfrontiert, die Mitgliederstruktur wieder heterogener zu gestalten. Es ist schwierig, jüngere Künstlerinnen für die Idee einer Vereinsmitgliedschaft zu begeistern, bemerken die Vorstandsfrauen. Mitunter gibt es mehr Ideen und Dinge, die zu bewältigen sind, als die Kapazitäten des Vereins hergeben. So würde der Verein gerne jüngere Frauen und Frauen aus anderen Lebenswelten als Mitglieder gewinnen. Oder sich neue Medien erobern – digital wäre noch viel mehr möglich, als derzeit verwirklicht werden kann. Dass die Frauen des Künstlerinnenforums-bi-owl auch hier hervorragende Arbeit leisten können, haben sie unlängst in der gelungenen Präsentation der Ausstellung Im weitesten Sinne ZUG bewiesen. Auf gewisse Weise hat hier die Krise dazu beigetragen, neue Wege auszuprobieren und zu beschreiten.

Zahlreiche Kooperationen mit Museen, der Stadtbibliothek, dem Kulturamt und vielen weiteren Institutionen hat das Künstlerinnenforum von Anfang an gepflegt und ständig erweitert.

So konnte das „Lesen gegen das Vergessen“ auch dieses Jahr stattfinden. Übertragen von Kanal 21 kann man die Ende Mai aufgezeichnete Lesung dort weiterhin besuchen.

Zwischen hart erkämpften Erfolgen und langfristig gesetzten Zielen sind die Frauen des Künstlerinnen-Forums kein bisschen müde geworden. Auf zukünftige Ziele angesprochen, entspinnt sich sofort eine lebendige Diskussion. Gabriele Sonnenberg träumt von Präsentationsmöglichkeiten der Mitglieder in der Kunsthalle und davon, dass den Frauen endlich angemessene Ausstellungsräume mit einer angemessenen Bezahlung zur Verfügung stehen. Die WIR Gruppe des Vereins präsentiert das für das Jubiläumsjahr geplante Projekt „WIR. Selbstverständlich“, in dem sich jedes Mitglied selbst porträtieren sollte. Aufgrund der Umstände wurde das Projekt noch nicht verwirklicht. Dennoch spricht der Name für sich, und für die unermüdliche Arbeit eines Vereins, der stets mit seinen Anforderungen gewachsen ist, ohne sein grundlegendes Selbstverständnis Netzwerk und Heimat für Künstlerinnen aller Sparten zu sein, aus den Augen zu verlieren.

Autor*in: Elke Engelhardt

Schreibt mit nicht nachlassender Begeisterung über Bücher. Ganz selten schreibt sie selbst eins.