Nicht mehr stillhalten können

Charlotte Koch und Martina Strothtotte von der Kulturgruppe am künftigen Schauplatz der "Bielezelt"-Veranstaltungen (Fotos: Rainer Schmidt)

Die Kulturgruppe holt nahezu die ganze Kulturszene für vier Wochen ins “Bielezelt”

Ein großer Irrtum der Kommunikation ist die Abgrenzung von Mineralöl gegenüber pflanzlichen Ölen. Denn beide bestehen aus Kohlenstoffketten, während „mineralisch“ ja suggeriert, dass es sich um nichtorganisches Material handele. Zwar redet man bei organischer Zersetzung davon, das etwas mineralisiere. Im Falle des Erdöls ist dieses jedoch nicht vollständig geschehen, sonst träfe man auf Humus, und der interessiert den Menschen eher nicht.
Aus dieser Nomenklatur lässt sich nur ableiten, dass hier ein dummes, anthropozentrisches Weltbild vorherrscht. Nicht die Natur eines Stoffes ist relevant, sondern, wo man ihn sich aneignen kann. Natürlich gibt es den Begriff des fossilen Rohstoffes, doch das ist die selbe Nummer. Das kommt von „fossa“: Das was aus dem Graben kommt.

Moment, warum steht das alles hier? Einfach, um mal etwas anderes zu tun, als über Kontaktbeschränkungen und Testregimes zu reden. Währenddessen tut sich gerade etwas auf dem Feld der Konzepte, wie man sich schon bald wieder leibhaftig eine kulturelle Veranstaltung zu Gemüte führen könnte.

Bestimmt ein Angebot vom Lieblingsveranstalter dabei

Definitiv sorgsam mit den fossilen Reserven umgehen und nicht mit dem KFZ beim Forum erscheinen sollte man, wenn man beim diese Woche begonnenen Vorverkauf ein Ticket fürs Konzert im „Bielezelt“ ergattert hat. Denn der Parkplatz wird, wenn alles gut geht, zum großen Teil zum Austragungsort der Veranstaltungen umgewidmet sein. Schon im vergangenen Sommer gab es hier einige Parkplatzkonzerte unter freiem Himmel, welche unter Regie der Kulturgruppe und dem Hauptlokalgeber ihrer Veranstaltungsaktivitäten, dem Forum Bielefeld stattfanden. Neu ist an den vier langen Wochenenden zwischen 8.4. und 2.5., dass eine größere Vielfalt an Veranstaltungsgruppen in das Programm eingebunden ist, und dass das Ganze mittels eines gut durchlüfteten Zeltes wetterfest sein wird. Dafür hat das sechsköpfige Planungskommitee, das sich aus den etwa 20 Aktiven der Kulturgruppe zusammenfand, seit Oktober den Zugang zum Fördertopf des bundeseigenen „Neustart Kultur“-Programms hergestellt (damit Aufretende und Zuarbeitende anständig bezahlt werden können) und in enger Zusammenarbeit mit dem Ordnungsamt, welche man als überaus konstruktiv empfunden habe, ein Konzept entwickelt (damit der Seuchenschutzverordnung Genüge getan ist): Pflicht zur Voranmeldung, Einbahnstraßensystem, Parzellierung, nachbarschaftsfreundliche Auftrittszeiten (18 – 21 Uhr am Wochenende, Donnerstag und Sonntag eine Stunde früher), Sitzgelegenheiten für alle der maximal 80 Besucher*innen.

Immer schon aktiv für das Recht auf Feiern, wenn nötig mit Sarkasmus: Eingang zum Kulturgruppen-Konzert im Forum am Karfreitag 2014.

Auf der Webseite www.bielezelt21.de lässt sich das Programm mit Kontaktinformationen zum jeweiligen Veranstalter, über den Vorverkauf und Anmeldung läuft, einsehen.
Schauen wir einmal rein: der Bunker Ulmenwall wartet mit einer Ausgabe des Bunkerslam auf (22.4.) und dem Keller- und Burgkühle-erprobten Berliner Pianist Lambert mit seiner Soloshow (18.4.). Das Kulturkombinat Kamp und Festivalkult haben beigetragen, und präsentieren zusammen mit dem Forum und dem Nr.z.P. Erzeugnisse der regionalen (Post-)Rockszene. Auch weniger bekannte Veranstaltergruppen sind vertreten, etwa Queerlaut, welche am 29.4. die Künstlerinnen Tigrrez Punch + Wrackspurts der Kämpferinnen- und Freundinnenschaft Loblieder singen lassen oder die Teestube, die mit der Verpflichtung von Karâge, einer Band, die nach eigenen Aussagen die Band lieber Übergangs- statt Lederjacke trägt, ihr Herz für den Indierock entdeckt hat. Erfreulicherweise, auch für Anhänger der härteren Gangart, in Planung ist für den Spätsommer eine Wiederauflage des Teestival Open Air, mit dem die Christkönig-Gemeinde 2019 das 10jährige Bestehen ihres Jugendangebots feierte.

Authentischer, düsterer 80er-Punk und Zirkeltraining-Reminiszenzen

Ihrem guten Ruf für die Präsentation gut abgehangenen Punkrocks und kontroversen, zeitkritischen Entertainments wird die Kulturgruppe beispielsweise am 1. Mai gerecht, wenn das lange überfällige Wiedersehen mit Jens Rachut – mit neuer Formation Alte Sau – ansteht, in einem Programm mit der Berliner Supergroup Es war Mord um Leute von u.a. Jingo de Lunch, Vorkriegsjugend und Skeptiker.

Am 2.05. schließlich verspricht ein Familiennachmittag mit Lieselotte Quetschkommode, Generationen zu verbinden, ehe die Lesebühnenpioniere Bielefelds Backes | Beune | Brohm unterm Zeltdach ihre Texte hervorkramen werden.

Auf jeden Fall ist es den Kulturgruppen-Aktiven wichtig, endlich wieder ins Gestalten zu kommen, die Bielefelder Kulturszene dank der großzügigen Nutzungsmöglichkeit einer Außenfläche wieder sicht- und hörbar zu machen, und wäre sich nicht zu schade, das ausgearbeitete Konzept auch in Zukunft interessierten Veranstalter*innen zur Verfügung zu stellen. Dass die Regierung nicht ganz mitspielen würde war abzusehen.

Wir werden uns bemühen, über Ersatztermine für die in den ersten Wochen geplanten Veranstaltungen in unserem Veranstaltungskalender zu informieren.

Rainer Schmidt

Autor*in: Rainer Schmidt

"Wenn man sich schon Illusionen macht, dann aber auch richtig. Es muss stimmen, wenns auch nur von kurzer Dauer ist." – Django