War da was?

Screenshot: youtube.com

Der Gelegenheiten waren nicht viele. Dennoch möchten die Redaktionsmitglieder reihum, in loser Folge, einen persönlich intensiv erlebten Moment aus der Kulturlandschaft des Jahres 2020 vorstellen.

Den Anfang macht Rainer:
Was ist das Versprechen einer durch persönliche Anwesenheit wahrgenommenen Veranstaltung, für die man oft weite Wege auf sich nimmt? Eine unwiederbringliche Erfahrung, das spontane aufeinander Eingehen von Künstler und Rezipient – die Möglichkeit eines Diskurses unter dem direkten Eindruck der Darbietung. Dies war uns über weite Strecken des Jahres genommen, Ausweichmöglichkeiten wurden erprobt, die Stunde der Digitalisten schlug. Man musste sich mit steilen Thesen und allerlei Blödsinn auseinandersetzen, etwa der Vision, dass Musiker sich fortan zum gemeinsamen Jammen nicht mehr aus dem heimischen Musikzimmer fortbewegen müssten. Schon aus technischer Hinsicht ist da derzeit rein gar nix dran.

Mann am Konzertflügel, Bademantel, düsteres Blau
Chilly Gonzales bei einer anderen 2020er Veranstaltung. (Screenshot: arte concert) URL:https://www.arte.tv/de/videos/100092-000-A/chilly-gonzales-malakoff-kowalski/

Das moers festival ist für mich seit den frühen 90er Jahren ein Fixpunkt. Wenn irgend möglich, jedes Jahr zu Pfingsten vier Tage lang Musik binge hören, mit qualmenden Sohlen zwischen Session, Ausstellung, Konzert und Cocktailbar zappen, Künstlern lästig fallen, abspacken, womöglich sogar jammen.
Es fand auch dieses Jahr im vollen Umfang statt, als Livestream aus der Festivalhalle. Mit dabei und lange erwartet: der Soloset des kanadischen Crossover-Musikers Chilly Gonzales. Und eingangs setzte der Stream aus. Nun durfte ich nach einigem Zögern lernen, dass das Neuladen einer Seite das neue “An-Antennen-Rütteln” ist und diese Geburtsstunde einer neuen Unterhaltungsform doch noch mitbekommen. Diesen Moment, als der Bademantel tragende Entertainer die Kamera fixierte und sein Publikum „out there at the screens“ dazu aufforderte, einen Musikwunsch zu äußern. Sich drauf zu konzentrieren, ihn in den virtuellen Raum zu schreien. Ein Moment, in dem die Unmittelbarkeit einer Gemeinschaft fühlbar wurde, jedenfalls zum Schein.
Nun ist Gonzales schon seit Längerem eine versierte Medienperson, einer der eloquentesten Musikvermittler des Planeten. Und ganz nebenbei zeigte sich bei diesem ungewöhnlichen Konzert, dass seine stilistische Offenheit und kompromisslose Hingabe beim Komponieren und am Flügel ihn aus dem Gros der Pop-Pianisten hervorheben.

Heute erreichte die Redaktion ein Schreiben, welches in Erinnerung rief, was ein Kulturjahr erst komplett macht. Kaum jemand aus dem Kollegium, der nicht schon die Gelegenheit hatte, sich mit ihrem Wirken tiefer auseinanderzusetzen oder gar Anhänger der ostwestfälischen Aushängeschilder des breitbrüstigen Musikantentums ist.
Deshalb wollen wir Euch die Ankündigung der Seltaebs nicht vorenthalten:

“Liebe Redaktionen,

Auch die Seltaebs dürfen zu Weihnachten nicht aus dem Käfig.

So will es das Gesetz. Das Gesetz will aber auch, dass Weihnachten ohne die Seltaebs quasi ungesetzlich ist. Sagt Martin. Der muß es ja wissen. Also kam das Angebot aus Gütersloh sehr passend. Da die Männer aber auch nicht proben durften (so wie…äh…räusper… sonst immer), kredenzen sie zum Festmahl doch eher abgehangene Leckereien aus dem Seltaebs Kochtopf. Und natürlich mit Maske. MIT MASKE. Und wenn sie die schon mal aufhaben, dann wird sich auch einer hinter die Maske gekippt. Mit Ouzo. Selbstredend. Freut euch auf eine komplette Stunde Wahnsinn online. Mit alles – also Eierlikör und Chips bereit stellen!

Möglich gemacht wird dieses Konzert durch die Gütersloher Initiative GTönt.

MACHER Micky Grohe erklärt: „Es ist still geworden. Alle geplanten Konzerte und Auftritte zur Weihnachtszeit fallen aus. Wir haben uns ein paar dieser Konzerte geschnappt und den Künstlern im Rahmen unserer Möglichkeiten (und nach den aktuellen Bedingungen), eine Bühne bereit gestellt im Blue Fox Gütersloh. Mit Stephan Unkröer (Licht- & Videotechnik), Jonas Buschsieweke (Tontechnik), Michael Grohe (Organisation) und der Unterstützung vom Fachbereich Kultur Gütersloh, sind hierzu kleine Videos entstanden. Zu Weihnachten öffnen wir mal kurz den Deckel von unserem Kultur-Kanal als “Coronale” Filmtage und veröffentlichen an 6 Tagen die Konzerte und Lesungen mit Akteuren aus der Region. Das Programm wurde von den Künstlern ganz frei jeweils selbst gestaltet (improvisiert) und wir hoffen damit etwas Freude und Kultur zu verbreiten!“

Den YouTube link zum Konzert gibt es am Veranstaltungstag unter  https://www.facebook.com/gtoent “

Rainer Schmidt

Autor*in: Resonanzen OWL

Resonanzen ist sich gern mal uneins. Sonst wäre dies alles ein wenig fad. Manchmal ziehen hier allerdings alle an einem Strang und sind überzeugt davon, dass man mit einer Stimme sprechen darf, um Euch auf interessante und spannende Dinge aufmerksam zu machen.