Linolschnittmesser statt Tätowiernadel

Susanne "Susa" Jost darf ihr Studio Gaya Tattoo wegen der Corona-Pandemie nicht öffnen. Aus dem Hobby Linoldruck wurde ein kleines Ersatzeinkommen. Foto: Ralf Bittner

Wegen der Corona-Pandemie sind Tätowierstudios geschlossen. Susanne „Susa“ Jost hat für sich mit dem Linoldruck eine alte Drucktechnik wiederentdeckt. Dafür wird die Wohnküche zum Atelier.

„Tätowierstudios waren mit die ersten, die wegen der Corona-Pandemie schließen mussten und als letzte wieder öffnen durften, und auch im zweiten Lockdown traf uns das Betätigungsverbot wieder als erste“, sagt Susanne „Susa“ Jost, Inhaberin des Tattoo-Studios „Gaya Tattoo“ in Theesen. In der zweiten Pandemie-Pause entdeckte sie mit dem Linolschnitt eine seit der Schulzeit nicht mehr praktizierte Drucktechnik für sich wieder.

Wie das Tätowieren erfordert der Linoldruck auch Fingerspitzengefühl.

„Zuerst war der Linoldruck einfach eine Beschäftigung gegen die Langeweile“, sagt Susa, deren Wohnküche inzwischen zum Atelier geworden ist. „Die Idee, kleine Editionen aufzulegen entstand erst beim Tun und als klar wurde, dass der zweite Lockdown kein unmittelbar absehbares Ende haben würde.“ So entstand eine erste Serie mit sechs Motiven im Format A6, limitiert auf 50, nummeriert und inzwischen so gut wie ausverkauft.

Neue Motive sind in Vorbereitung

„Das lief ausschließlich über Social Media und über Kontakte zu meinen Kundinnen und Kunden“, sagt Susa. Dass die erste Serie passend zu Vorweihnachtszeit erschien, habe sicher dabei geholfen, dass die Serie so gut angekommen ist. Inzwischen gibt es ein zweites Set im Postkartenformat, ein weiteres Motiv soll es bald auf Chinapapier im Format Din A4 geben.

Im Prinzip unterscheide sich der Linoldruck gar nicht so sehr vom Tätowieren. „Am Anfang stehen Kreativität und Idee, dann folgt die zeichnerischen Ausarbeitung zum fertigen Motiv“, sagt Susa: „Der Rest ist Handwerk.“ Handwerk ist in diesem Fall wörtlich gemeint. Eine Form von Presse gibt es in Ateliers nicht. Jedes einzelne, der oft mehrfarbigen Motive wird in Handarbeit übertragen, wobei eine Rolle für den nötigen Druck sorgt. „Da im Lockdown auch die Künstlerbedarfsgeschäfte geschlossen sind, musste ich mir auch Arbeitsmaterialien, Papiere, Farben und Messer aus dem Internet besorgen“, sagt Susa, „aber sie erfüllen ihren Zweck.“

Ausbildung zur Tätowiererin statt Kunststudium

Susa ist als Tätowiererin bekannt für ihre floralen Motive, und die finden sich auch bei den Druckeditionen wieder. Zu ihrem Beruf fand sie schon unmittelbar nach der Schule. Mitten in der Arbeit an der Mappe für ein Studium der freien Kunst machten Freunde sie darauf aufmerksam, dass das Tätowieren etwas für sie sein könnte. Es folgte eine Ausbildung bei „Det“ vom Körperkult-Studio in Bünde, ab 1996 die Selbstständigkeit als Tätowiererin, zunächst als Gast bei Det. Seit 2003 ist sie mit dem Studio Gaya Tattoo in Bielefeld ansässig, zuerst im Umweltzentrum, später in Theesen.

Sie gehört zu den Solo-Selbstständigen in den Kreativberufen, bei denen die verschiedenen Unterstützungsprogramme kaum greifen. Im Frühjahr gab’s die 9.000 Euro Corona-Hilfe. Das Geld durfte nur für betriebliche – bei Susa die Studiokosten – nicht aber für die Lebenshaltung verwendet werden. Jetzt naht der Rückzahlungstermin für die Differenz, aber „Das Geld ist natürlich weg, denn vor irgendwas musste ich ja leben.“

Vielleicht gibt es die Prints zukünftig weiter im Studio

Die Einnahmen aus dem Verkauf der Drucke helfen etwas über den finanziellen Engpass hinweg. Der Erfolg der ersten Edition ist für sie auch Zeichen der Wertschätzung von Freunden und Kunden, die wie sie dringend darauf warten, dass der Lockdown gelockert wird und Susa wieder tätowieren kann. Etwas mehr als ein aus der Not geborenes Hobby könnte der Linoldruck aber bleiben: „Vielleicht biete ich in Zukunft immer ein paar Motive in meinem Studio an.“

Im Wohnküchen-Atelier entstehen gerade die neuen Motive, ein Set als Postkarten und eine zweifarbige Grafik in Din-A4 auf Chinapapier.

Da Susa über keinen Onlineshop verfügt, gibt es die ihre Motive auf www.facebook.com/gayatattoo oder nach schriftlicher Anfrage per E-Mail an info@gaya-tattoo.de zu sehen.

Autor*in: Ralf Bittner

Ralf steht lieber hinter als vor der Kamera, erkundet seine Welt gern zu Fuß und hat ein Herz für Großartiges in kleinen Locations.