Die Kunst und der Wille zur Weltverbesserung

"Wir benötigen andere Vorstellungen von Glück" - in dieser Überzeugung stimmen Brigitte Diekmann (Malerei) und Thomas Strakhof (Skulptur) überein, auch wenn die Arbeiten, die sie gemeinschaftlich in der Haller "Remise" zeigen, stark divergieren. Fotos: Antje Doßmann

Die RadKulTour macht Schule. Zwischen Halle und Steinhagen konnten Kulturbegeisterte bei etwas herausfordernderem Wetter als in Bielefeld am Samstagnachmittag eine reizvolle Kunstroute abradeln. In Halle führte die Strecke u.a. durch den Ortskern und am Bürgerzentrum Remise vorbei, wo am Vormittag die Malerin Brigitte Diekmann und der Holzbildhauer Thomas Strakhof ihre erste Gemeinschaftsausstellung “Quo vadis? Wohin gehst du, Mensch?” eröffneten.

Aus diesem Anlass gab es zudem Musik des Singer-Songwriter-Duos “Die da oben” (Lutz Schülke und Johannes Mettin), die nachdenkliche Ruhe in das naturgemäß trubelige Vernissage-Geschehen brachte. Auf der Galerie der Remise wurde dieser Eindruck lebhafter, aber auch etwas desorientierter Stimmung beim Publikum verstärkt durch die drangvolle Enge, die auf der knapp bemessenen Fläche herrschte. Das hatte auch Auswirkungen auf die Wahrnehmung der Kunstwerke. Denn für die Vielzahl der Exponate erschien die Ausstellungsfläche erheblich zu klein. Das war gewissermaßen Massenbildhaltung, die besonders Strakhofs massiven, aussagestarken Holz-Skulpturen einen Teil ihrer künstlerischen Kraft nahmen. Schade. In diesem Fall wäre weniger tatsächlich mehr gewesen.

Auch dass von Seiten der beiden Künstler:innen so wenig vermittelt wurde, was genau die Idee ihrer Gemeinschaftsausstellung gewesen war, wo sich Korrespondenzen, Verbindungslinien oder auch produktive Widersprüche in ihren Arbeiten erkennen lassen, hinterließ ein wenig ratlos. Gemessen an dem großen Titel, den sie für ihr Projekt gewählt haben, fielen ihre eigenen Einlassungen dazu vage aus, bzw. lieferte das Konzept ihrer Ausstellung so gut wie keinen Anhalt auf einen möglichen Bezug. Zumindest, was das Zusammenspiel betraf. In einzelnen Teilen konnte man insbesondere bei Thomas Strakhof und mit viel Interpretationsfreiheit auch in den leuchtend-farbintensiven Abstraktionen Brigitte Diekmanns schon den Bogen schlagen zu der Frage “Quo vadis? Wohin gehst du Mensch?”

“Soziale Anpassungsstörung” heißt diese Skulptur von Thomas Strakhof. Man hätte ihr, wie den anderen Figuren des Bielefelder Künstlers auch, in Halle mehr Raum zur Entfaltung gewünscht.

Aber unterm Strich und ohne den künstlerischen Gehalt ihrer Werke in Frage zu stellen – zwingend erschien der Zusammenhang eigentlich an den wenigsten Stellen. Und zu fragen ist, ob es den programmatischen Titel und die Selbsterklärung ihrer Werke zu einer “Kunst, die sich für einen Wandel in der Welt zu einer besseren Welt einsetzt” überhaupt gebraucht hätte, mehr noch: ob es für diese Art konzeptioneller Kunst nicht anderes bedurft hätte als die reine Absichtsbekundung.

Wie das aussehen könnte, führte Thomas Strakhof, der offenbar die Richtung dieses Ausstellungsprojektes vorgegeben hatte, vor, indem er zwei polit-literarische Texte las, die es in sich hatten. “Nach dem Krieg ist vor dem Krieg I und II” ließ die Dreifachbegabung dieses Künstlers erkennen, der nicht nur ein erfolgreicher Bildhauer ist (soeben wurde seine auch in Halle gezeigte Mann/Frau-Doppelskulptur beim Skulpturenpfad Werther/Westf. prämiert), sondern daneben als gefragter Musiker (Kontrabass) reüssiert. Nun also zusätzlich noch als Autor. Und auch wenn die “Quo Vadis? Wohin gehst du, Mensch?”- Ausstellung in der Haller Remise mehr Fragen aufwirft als Antworten anbietet, so ist der Wunsch nach dem Wandel der Welt zu einer Besseren natürlich verständlich und jegliche Anstrengung in diese Richtung ohne wenn und aber zu begrüßen.

Noch zu sehen bis zum 30.10.22

Galerie der Remise

Bürgerzentrum, Kiskerstraße 2

33790 Halle (Westf.)

Öffnungszeiten:

Montag-Freitag: 8-12 Uhr und 15-20 Uhr

Antje Doßmann

Autor*in: Antje Doßmann

Die Antje...kann über gelungene Kunst-Taten ins Schwärmen geraten, und dann rette sich von ihr aus wer will. Den anderen wünscht sie beim Lesen ein heißes Herz und einen kühlen Kopf.