Pas-à-porter

Konzeptkunst statt Kollektion: Suncana Dulic hat sich mit aussterbenden Pflanzen auseinandergesetzt. Ihre naturwissenschaftlich inspirierten textilen Kunstwerke zeigt das namu Bielefeld in der aktuellen Sonderausstellung "Die Letzten ihrer Art" (Fotos: Antje Doßmann)

Der Mode hat das Naturkundemuseum (namu) Bielefeld noch nie eine künstlerische Sonderausstellung gewidmet. Und Pflanzen stehen ebenfalls selten im Mittelpunkt. Statt dessen Tiere oder Minerale. Mit Suncana Dulic hat Museumsleiterin Isolde Wrazidlo nun eine kreative Gestalterin ins Haus geholt, deren textile Werke ein inspirierendes Crossover von Mode, Naturwissenschaft und relevanter zeitgenössischer Kunst wagen. “Die Letzten ihrer Art” setzt Pflanzen, die vom Aussterben bedroht sind, ein filigranes, ausschließlich in akribischer Handarbeit hergestelltes Denkmal.

Die Kleider, Hemden, Shirts und gestrickten Jacken lassen die einzigartige Schönheit der Pflanzen erkennen und regen zum eigenen Nachforschen an. In welcher Farbe sie beispielsweise in natura erblühen. Denn das lassen Dulics feine, mit schwarzem Stift oder Wollfaden auf Rohnessel, Seide, Baumwolle und Wolle aufgebrachten Abbildungen bewusst offen. Nachgeschlagen werden können die Pflanzen in der “Roten Liste” – die genauen Bezeichnungen hat die Künstlerin ebenfalls auf den Textilien vermerkt.

Zum Anschauen, nicht zum Anziehen gedacht

Schautafeln mit den wichtigsten Informationen hat das Museum zur Ausstellung beigesteuert, und vom altehrwürdigen Naturwissenschaftlichen Verein für Bielefeld, der mit dem Museum seit dessen Gründung im Jahr 1906 eng zusammenarbeitet, stammen die kostbaren Herbarien, die diese außergewöhnliche Sonderausstellung zu einer ebenso ästhetisch reizvollen wie nachdenklich stimmenden Schau machen.

Über zwei Jahre hinweg ist das Kunstprojekt organisch gewachsen. Ursprünglich nur für die Offenen Ateliers gedacht, umfasst es mittlerweile 16 Einzelstücke. Eine Videoinstallation, in der die Modemacherin und Galeristin ihre Stoffkreationen performativ in Szene setzt, sowie ein von Kindern im Rahmen eines Workshops bemaltes Hemd sind ebenfalls Teil der Ausstellung.

Das von Kindern gestaltete Pflanzenhemd

Der lange, für sie auch noch keinesfalls abgeschlossene Schaffensprozess habe ihre Pflanzenwahrnehmung grundlegend verändert, sagt Suncana Dulic. Vor allem sei ihr Auge geschärft worden für die faszinierende Morphologie noch des unscheinbarsten Gewächses; zudem das Bewusstsein für ihre Gefährdung durch den Menschen. Auf Pflanzen, die schon immer da waren und ohne die kein Leben auf der Erde möglich ist, mit ihrer Ausstellung aufmerksam zu machen, ist ihr daher ein entsprechend wichtiges Anliegen.

An einem gewissen Punkt habe sie auch gemerkt, dass es keine Mode-Kollektion sei, an der sie arbeite, sondern eine textile, nicht zum Tragen gedachte Werkreihe, die sie sich in Museen und Ausstellungen wünscht. Ein erster Schritt in diese Richtung ist schon getan. Werden die floralen Kleidungskunststücke doch im Anschluss nach Bünde verliehen, wo Dulics Künstlerkollege Michael Strauß das städtische Museum leitet.

Und für die Ausstellungen, die sie selbst in ihrer Galerie atelier d kuratiert, hat sich Suncana Dulic vorgenommen, dass alle Künstlerinnen und Künstler, die sie im nächsten Jahr zeigen wird, ebenfalls Arbeiten zum Oberthema “Die Letzen ihrer Art” präsentieren sollen.

Es bleibt also spannend. Und relevant.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 02. Oktober 2022

Di – So: 10-17 Uhr.

Antje Doßmann

Autor*in: Antje Doßmann

Die Antje...kann über gelungene Kunst-Taten ins Schwärmen geraten, und dann rette sich von ihr aus wer will. Den anderen wünscht sie beim Lesen ein heißes Herz und einen kühlen Kopf.