Das Herz ist ein mutiger Kämpfer

Seit 2016 sind sie das Duo Reo y Naná: Marion Meisenberg und Reinhold Westerheide beim "ZiF-Sommerkonzert" Foto: Antje Doßmann

Im Coronajahr 2020 hatte das ZiF Bielefeld eine zündende Idee, um das kulturelle Leben nicht völlig zum Erliegen kommen zu lassen. Denn da war der große Innenhof des Gebäudes oberhalb des Uni-Geländes und wurde außer für gelegentliche Grillabende kaum genutzt. Also wurde er kurzerhand umfunktioniert für Freiluftkonzerte, und die Idee des “Kultursommers” war geboren. Sie wurde so gut angenommen, dass es von Seiten des ZiF auch in diesem Jahr keine Frage war, die Reihe fortzuführen. Den Auftakt machte Reo y Naná.

Ein Duo, das mit der lateinamerikanischen Musik, die es präsentierte, nicht nur für großen Hörgenuss sorgte, sondern bei aller sommerlichen Leichtigkeit auch für ernste Denkanstöße und eine Vielzahl unterschiedlicher Emotionen. Schmerz und Zorn gehörten dazu. Denn Reinhold Westerheide an der Gitarre und die Sängerin Marion Meisenberg erinnerten bei diesem leidenschaftlichen, einfühlsamen Konzert an etwas, das durch die pandemiebedingte kulturelle Zäsur schon fast in Vergessenheit zu geraten drohte: Musik, die so aus dem liebenden kämpferischen Herzen kommt wie die Kompositionen des Chilenen Victor Jara, des Argentiniers Atahualpa Yupanqui und des Kubaners Silvio Rodriguez, war und ist immer auch eine revolutionäre Ansage an soziale Ungerechtigkeit und gewaltsame Unterdrückung.

Viel freier Raum für feine Konzerte: Der Innenhof des ZiF Bielefeld Foto: Antje Doßmann

Wer sich wie dieses bemerkenswerte Duo der Lieder Victor Jaras annimmt, den Pinochets Schergen im berüchtigten Estadio Chile folterten und demütigten, hält das Andenken an einen großen Künstler und wahren Menschen wach. Der erinnert mit jedem Lied an einen, der noch mit dem puren Grauen vor Augen ein letztes Gedicht verfasste (Somos cinco mil, “Wir sind fünftausend”), und der, als die Junta ihm schon die Hände gebrochen hatte, damit er nicht mehr zur gefürchteten Gitarre greifen konnte und ihn mit der Frage verhöhnte, warum er denn nicht singen würde, wo er doch ein Sänger wäre, tatsächlich aufstand und das Lied der Unidad Popular anstimmte: Vencemeros – “Wir werden siegen!”, bevor ihn 44 Schüsse aus einer Maschinenpistole für immer zum Schweigen brachten.

“El Arado” (“Der Pflug”) gehörte zu den Liedern, die Reinhold Westerheide und Marion Meisenberg von Victor Jara interpretierten. Es war innerhalb eines eh durch und durch berührenden Konzertabends ein mitreißender Höhepunkt. Auch bei den gut ausgewählten Stücken aus der Feder von Rodriguez und Yupanqui, die auch die humorvolle, spöttische, selbstironische Seite des Nueva canción zum Vorschein brachten, stellte das Duo, das unter dem Namen Reo y Naná seit 2016 gemeinsam auftritt, Feingespür und Hingabe unter Beweis. Virtuoses Saitenspiel traf auf volles warmes Stimmvolumen mit vielen Akzentuierungen, und das Publikum, das den spanischen Klanggenuss mit sozialrevolutionärem Hintergrund begeistert feierte, war sich am Ende des Abends sicher: hier waren zwei gekommen, um wirklich ihr Herz anzubieten, wie es der Titel ihres Programmes versprach.

Antje Doßmann

Autor*in: Antje Doßmann

Die Antje...kann über gelungene Kunst-Taten ins Schwärmen geraten, und dann rette sich von ihr aus wer will. Den anderen wünscht sie beim Lesen ein heißes Herz und einen kühlen Kopf.