Ein Club mit Tradition

Alte Kuxmann-Fabrik. Hier soll auf "dem Billboard" demnächst wieder das nächste Gastspiel stehen. Das Foto wurde am Abend des Lockdowns vor zwei Jahren aufgenommen. Alle Fotos: Rainer Schmidt

Es ist Freitag, früher Abend. Die Arbeit ruht, das Wochenende ist eingeläutet. Für einige Männer und Frauen beginnt eine zweite, ehrenamtliche Schicht in einem Keller an der Beckhausstraße. Es zählt für sie zum Angenehmsten einer Woche, dieses Thekewischen, Bühneausleuchten, Kassevorbereiten, Musikerbegrüßen, dann die Gäste: Eine Konstante, ein Treffpunkt, unvergessliche Konzerterlebnisse, das bietet der Bielefelder Jazzclub.

Wobei man schon wieder eine Atempause machen muss. Als erste Veranstaltungsstätte hatte der Club als Vorsichtsmaßnahme und infolge der zusätzlichen Belastung bei der Kontrolle der Pandemieauflagen seinen Betrieb im November nach wenigen Konzerten wieder eingestellt. Zuvor war er volle 18 Monate geschlossen, seit März 2020. Das war kurz bevor zwei Jubiläumsabende zum 40jährigen Bestehen auf dem Programm standen.

Chris Farlowe, gebucht für das Jubiläumskonzert mit der Hamburg Blues Band im April 2020, dreieinhalb Jahre früher im Club an der Beckhausstraße, mit der Norman Beaker Band

Den Club hat es insgesamt hart erwischt in letzter Zeit – auch aus diesem Grund ist er so zögerlich auf seine Stammgäste zugegangen. Im Herbst war Volker Speer plötzlich verstorben. Die letzten sechs Jahre war er erster Vorsitzender gewesen, ein Amt, das der Amateurbassist mit langjähriger Vereinsmitgliedschaft nicht aktiv angestrebt hatte, dazu war er zu wenig auf Selbst- und Außendarstellung bedacht. Doch als zuverlässiger Teamplayer mit Verwaltungserfahrung habe er sehr integrativ gewirkt und für die recht heterogene Gruppe von Mitstreitern immer den jeweilig richtigen Aufgabenbereich gefunden, so beschreibt ihn André Petras, der gemeinsam mit dem 66jährigen für das Booking zuständig war.

Der Artikeleinstieg legt es nahe: dieser Beitrag ist Teil einer Rubrik. Sie behandelt Dinge, die sich (regelmäßig) an einem Freitag in der Stadt ereignen, ihre Macher und Anhänger, und was es sonst noch dazu zu berichten gibt. (wir hatten es begonnen mit dem Theaterbericht "Auf dem Kesselbrink".)
Vielleicht muss es nicht einmal immer "Freitags in Bielefeld" heißen, wir gingen auch gern mal auf Fahrt und brächten "Freitags in Gütersloh", "... Herford", "...Lemgo", wo auch immer in der Region, und sind jederzeit für Vorschläge offen. 

Im Keller der alten Kuxmannfabrik hat sich in den vergangenen vier Jahrzehnten so mancher Wechsel in der musikalischen Ausrichtung vollzogen. Vor Speers Amtszeit bestimmte Christoph Bockermann das Programm, wobei er hauptsächlich seine guten Kontakte zu Bluesbands aus ganz Europa und Amerika nutzte (davon abgesehen, dass die Osnabrücker und Münsteraner Szene als Brückenkopf für Stars, Blues-Newcomer und Wiederentdeckungen aus den USA schon länger einen Fuß in der Tür hatte. )

Claus Griesmeyer hieß der Mann, der zuvor den mit Dixieland und Swing gestarteten Club für modernere Strömungen des Jazz, Soul und lateinamerikanischer Musik öffnete, die heute neben allen Spielarten des Blues das Programm bestimmen. Die urwüchsigen Spielarten haben immer noch ihren Platz im Programm, so wurde der recht regelmäßig jährlich stattfindende Abend der Worried Man Skiffle Band aus dieser Region zwar eine reinrassige Ü60-Veranstaltung, dafür aber eine sehr ausgelassene und gut besuchte.

Die einschlägige Anlaufstelle für traditionsbewusste Musiker der Region ist der Club. STU and the Big Jump präsentierte im Februar 2020 Swing und Jump Blues

Der Jazzclub ist dafür bekannt, nicht allein sein eigenes Süppchen zu kochen, sondern ähnlich Gesinnten sein Lokal zur Verfügung zu stellen. So ist die “Bielefelder Blues Börse” in der Beckhausstraße untergekommen, als das Augustus als Gründungsort der monatlichen Session für Musiker schloss. Als es dessen Wirt Armin Burgmann, der für den Thekendienst angefragt war, mit dem Ruhestand ernst nahm, fanden sich hinter dem Tresen zwei Musiker der Bielefelder “Bluesbøcke” wieder: der “Reverend” und “Dr. Blase” – Thomas Schröder, der sich auch an der Buchung der Jazzclub-Gastspiele beteiligt. Die liegt derzeit hauptsächlich in Händen von Ulrich Wegener, der ausgangs der 90er ein eigenes Lokal namens “Ulli’s Sixties” hatte.

Ulli Wegener, derzeitiger Booker des Bielefelder Jazzclub, an der Theke zusammen mit George Perl (Dukes Of Hamburg) und Holger Roggemann (smart stage, Werbegemeinschaft In Schildesche)

Unerschrocken von unsicheren Aussichten und der noch ncht festen Zusage der Neustart-Förderung (um den Künstlern eine gute Gage bieten zu können) hat er sich ans Werk gemacht, damit ab dem 1. April das Publikum in der für den Club charakteristischen ungezwungenen Atmosphäre mit größtmöglicher Nähe zum Geschehen wieder Livemusik genießen kann. Auf die Termine werden wir bald hinweisen können. Dazu zeigt sich der Keller im “neuern Glanz” , da das Team die lange Pause auch für Renovierungsarbeiten und gründliche Reinigung genutzt hat.

“Supercharge”-Frontmann Albie Donnelly brachte im Herbst 2021 mit Begleittrio seine coole Version des Rhythm’n’Blues in den Club
Rainer Schmidt

Autor*in: Rainer Schmidt

"Wenn man sich schon Illusionen macht, dann aber auch richtig. Es muss stimmen, wenns auch nur von kurzer Dauer ist." – Django